Die Theaterserie »Münchner Schichten« verleiht dem Festival Politik im freien Theater etwas Lokalkolorit.

Barbara te Kock| © privat

München bekommt seine eigene Serie, und es wird kein »Tatort« und kein endloses Kranken­hausdrama, sondern eine kurze Theaterreihe sein. Der Startschuss fällt während des Festi­vals Politik im freien Theater, wobei immer zwei Episoden auf einen von nur vier Sende­terminen – äh: Abenden – fallen. Das Thema ist München selbst, was zu der beim eben zu Ende gegangenen Festival Rodeo gefeierten Rückbesinnung aufs Lokale passt, die man im Theaterprogramm des »Politik«-­Festivals sonst weitgehend vermisst. Und folgerichtig sind unter den Autoren der verschiedenen Episoden auch einige von denen, die sich schon länger mit der Frage beschäftigen, was es bedeutet, als Künstler und/oder jüngerer Mensch in München zu leben. So etwa Benno Heisel, der schon bei Rodeo 2016 sogenannte »StadtKernBohrun­gen« in Spaziergangform mit vorwiegend studentischen Mittätern unternommen hat.

Benno Heisel| © Jean-Marc Turmes

Damals war das eher historisch und sehr, sehr spielerisch. Jetzt geht es eher ums Heute, aber spielerisch und örtlich mobil bleibt’s. »Münchner Schichten« heißt die Auffüh­rungsreihe – und darin schimmert ihr Vorbild kräftig durch: Die Kultserie »Münchner Geschichten« rund um den mit seiner Oma im Lehel lebenden Tscharlie, mit der Helmut Dietl in den 70er und frühen 80er Jahren die Leute zur besten Vorabendsendezeit von der Straße holte. Heute wirkt schon das Wort Sen­dezeit hoffnungslos antiquiert. Dafür gibt es »hippe Zwischennutzungsprojekte« wie das zwischen Hotel, kulturellem und Party­-Hot­spot changierende Lovelace, wo am 7. Novem­ber die ersten beiden Einakter zu sehen sind: Nummer eins stammt von Barbara te Kock, die schon vor gut einem Jahrzehnt gemeinsam mit Philine Velhagen aufs Zauberhafteste pri­vate und andere Münchner Räume zur Bühne machte. Und weil sie inzwischen auch Dreh­bücher schreibt und das zum Auftakt einer Serie passt, gehen die »Münchner Schichten« mit einem Casting los – und mit einem Schreibworkshop für Geflüchtete weiter, den die mit den Kammerspielen assoziierte jorda­nische Dokumentartheatermacherin Amahl Khouri ersonnen hat. Benno Heisels Kurz­stück, in dem die Bundesagentur für Arbeit einen Ideenwettbewerb zur Neugestaltung des Staates ausschreibt, wird Anfang Dezember gemeinsam mit Raphaela Bardutzkys Unter­suchung der Arbeitsmarkttauglichkeit des heidnischen Nikolaus­-Begleiters Krampus als Folge drei und vier in einem typischen Co-­Working-Space zur Aufführung kommen.

Amahl Khouri| © privat

Heisel sieht die Stärke von Dietls »Ge­schichten« von der ersten Gentrifizierungs­welle und dem schwindenden Milieu vor allem in ihrer Deutungsoffenheit: »Man kann darin harmlose Lauser-­Geschichten sehen oder ein ätzendes satirisches Gesellschaftspa­norama, nostalgische Underdog-­Erzählungen oder eine kapitalismuskritische Parabel.« Für die vergleichbare Viel»schichtigkeit« der neuen Theaterserie sollen die unterschiedli­chen Perspektiven der drei jungen Regisseure Annalena Maas, Clara Hinterberger und Kevin Barz sorgen – und die acht Autoren, die sehr unterschiedliche Sujets und Themen gewählt haben: Raphaela Bardutzky und Theresa Seraphin (hier mit den 100 besten »Gründen, sich in München zu kreuzigen«) kommen von der Dramaturgie und haben 2016 das Netz­werk der Münchner Theatertexter*innen gegründet, Andreas Kohn vom Kollektiv Kom­mando Pninim hat Politikwissenschaft stu­diert und rückt in Folge fünf vor Seraphins Kreuzigungen einer Münchner Hausgemein­schaft in einem Treppenhaus auf die Pelle.

Und Leander Steinkopf, der auch als Journa­list arbeitet, bestellt gemeinsam mit (Thea­ter­)-Autor Jan Geiger die letzte Schicht im Fitnessstudio, wo es am Beispiel »einer altehr­würdigen Münchner Zeitung« um die Zukunft der lokalen Presse geht und um das Potenzial von »Drag« und »Glam«, den Mangel an Geld zu kompensieren, der die Menschen daran hindert, ihre Lebensumstände zu ändern. Und auch wenn es in den »Schichten« weder ein durchgehendes Milieu noch ein fes­tes Personal gibt, bleibt ein Minimum an Seri­alität durch den Coup gewahrt, dass immer eine Figur zur jeweils nächsten Folge hinü­berwandert. Ob als eine Art Staffelträger für Themen, Stimmungen oder andersartige Impulse, wird man sehen. ||

MÜNCHNER SCHICHTEN
Lovelace| Kardinal-Faulhaber-Str. 1 | 7. Nov.
19.30 und 22 Uhr | weitere Doppelfolgen am 6. Dez., 25. Jan.und 2. März| Tickets

 


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