Unsere Novemberausgabe widmet sich auf drei Sonderseiten dem Literaturfest München (14. November – 2. Dezember). Hier vorab eine kleine Auswahl unserer Programmtipps!

Ilma Rakusa | © Yvonne Boehler

15. NOVEMBER: EUROPA IM HERZEN
Aris Fioretos, Navid Kermani, Ilma Rakusa
Moderation: Heinrich Detering | Literaturhaus, Saal | 19 Uhr
Die Zürcher Lyrikerin, Essayistin und Über­ setzerin Ilma Rakusa, als Tochter einer Unga­rin und eines Slowenen in der Slowakei gebo­ren, ist in und um Budapest, Ljubljana und Triest aufgewachsen. Ganz sicher hat sie »Europa im Herzen«, speziell natürlich Süd­osteuropa. Das hat gewiss auch Aris Fioretos, der schwedische Romancier und Publizist mit griechischen und österreichischen Wurzeln. Und dass der Kölner Schriftsteller, Essayist und Reporter Navid Kermani Gewichtiges zum Zustand des Kontinents zu sagen hat, steht nicht erst seit seiner Rede zum 65. Geburtstag des Grundgesetzes fest. Für alle drei ist selbstverständlich, dass Europa mehr und anderes bedeutet als EU. Und dass fundierte Geschichts­- und Sprachkenntnisse das bessere Verstehen dieses wunderbar vielfältigen Erd­teils deutlich erleichtern. Drei poetische Den­ker diskutieren, moderiert von Heinrich Dete­ring, vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrungen und politischen Überzeugungen brisante Probleme des gegenwärtigen Europa – und lesen aus eigenen, zum Thema passenden Texten. Gute Mischung! ||
KLAUS HÜBNER

Annet e Ramelsberger | © Antje Kunstmann Verlag

21. NOVEMBER: DER NSU-PROZESS. DAS PROTOKOLL
Annette Ramelsberger, Rainer Stadler
Moderation: Stephan Detjen
Lesung: Marion Niederländer und Thorsten Krohn | Literaturhaus, Saal | 20 Uhr
Ihr Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse war eines der High­lights: Annette Ramels­berger und Tanjev
Schultz haben kurz vor seinem Erscheinen das fünfbändige, über 2000 Seiten umfassende Konvolut »Der NSU­Prozess. Das Protokoll« präsentiert. Vom Mai 2013 bis Juli 2018 hat der Prozess gedauert, 438 Verhandlungstage. Ein Team von Repor­tern hat den Prozess Tag für Tag begleitet, in gebückter Haltung auf dem Laptop mitge­schrieben, protokolliert. Denn, man mag es kaum glauben, die deutsche Strafgesetzord­nung schreibt ein Protokoll nicht zwingend vor. Es existieren also weder offizielle Ton­bandaufnahmen, noch Mitschriften der Aussa­gen von Zeugen. »Wir hatten ein bisschen was abzuleisten«, sagt Annette Ramelsberger dazu. Niemand habe die Berichterstattung über die sogenannten »Döner­-Morde« in Frage gestellt. »Als wenn hier Döner gestorben wären und keine Menschen.« Also haben sie 438 Tage lang getippt, den Laptop auf den Knien. Und sie haben sich viele Gedanken gemacht. Hat der Prozess ein würdiges Bild für den Rechts­staat abgegeben? Was hätte anders laufen sol­len? Wie stärkt ein solches Verfahren unsere Demokratie? Das sind interessante Fragen, die uns alle angehen. Annette Ramelsberger und Rainer Stadler haben viel Spannendes dazu zu sagen – und Sie haben unseren Applaus verdient! ||
GISELA FICHTL

ANNETTE RAMELSBERGER, TANJEV SCHULTZ, RAINER STADLER, WIEBKE RAMM: DER NSU-PROZESS. DAS PROTOKOLL
Verlag Antje Kunstmann, 2018
5 Bde., 2000 Seiten | 80 Euro

Harald Lesch | © privat

28. NOVEMBER: HARALD LESCH
Gasteig, Carl-Orff-Saal | 19 Uhr
»Wann, wenn nicht jetzt?« sang vor über drei­ßig Jahren Rio Reiser und wollte damit die Menschen wachrütteln, sich für Welt und Umwelt einzusetzen. Der Astrophysiker Harald Lesch erwähnt in seinem neuen, wie­der gemeinsam mit Klaus Kamphausen ver­fassten Buch den Sänger zwar nicht. Aber der Titel scheint direkt auf Reiser anzuspielen: »Wenn nicht jetzt, wann dann? Handeln für eine Welt, in der wir leben wollen«. Ihr letztes Buch, »Die Menschheit schafft sich ab«, klang noch viel pessimistischer. Doch mittlerweile hat sich die nicht zuletzt durch den Soziolo­gen Harald Welzer propagierte Einsicht durchgesetzt, dass die Menschen auf End­zeitszenarien mit Lähmung und Passivität reagieren. Wenn ihnen hingegen trotz der Misere – Klimawandel, Insektensterben, Lob­byismus – Beispiele für gelingende Verände­rungen genannt werden, beginnen sie sich zu engagieren. »Ja, es ist keine Zeit für Resigna­tion. Wenn Politik und Wirtschaft sich nicht bewegen, dann müssen wir Bürger uns eben selbst um die Herausforderungen der Zukunft kümmern«, sagt auch Claudia Langer, Vor­standsmitglied der Generationen Stiftung, im Interview mit Lesch. Im Grunde hat dieses Mutmacherbuch nicht nur Lesch/Kamphau­sen als Autoren. Sondern viele. Weil es vor allem aus Interviews mit Wissenschaftlern, Denkern und Umweltaktivisten von Ernst Ulrich von Weizsäcker bis Ilija Trojanow besteht. Für eine spannende Diskussion dürfte also gesorgt sein. Wenn nicht jetzt, wann dann?! ||
FLORIAN WELLE

HARALD LESCH UND KLAUS KAMPHAUSEN: WENN NICHT JETZT, WANN DANN? HANDELN FÜR EINE WELT, IN DER WIR LEBEN WOLLEN
Penguin Verlag, 2018 | 369 Seiten | 29 Euro

Das komplette Programm finden Sie hier, weitere Artikel zum Thema bald hier und hier

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