Herbert Achternbusch zum 80. Geburtstag: Eine Hommage im Filmmuseum.
»Ich möchte ja am Faschingsdienstag sterben, weil Valentin schon am Rosenmontag gestorben ist.« Ein typischer Herbert-Achternbusch-Satz ist das: Aus ihm blitzen rotzfreche Bauernschläue und grotesker Anarchohumor genauso wie ein ordentlicher Schuss bayerisch-bizarrer Subversionskomik im Geiste eines Räuber Kneißls (»De Woch fangt ja scho guat o«) hervor. Gottlob, obwohl er es mit dem sonst nicht so hat (unabhängig vom Megaskandal um »Das Gespenst«), lebt das bissig-bajuwarische Universalgenie immer noch – und feiert am 23.November seinen 80. Geburtstag.
Leider ist es inzwischen, bedingt durch gesundheitliche Umstände, äußerst ruhig um den vielleicht allergrößten »Genialen Dilletanten« der 1970er und 1980er Jahre geworden, als diesen Westberliner Subkulturbegriff in Münchner Gefilden und darüber hinaus noch gar niemand kannte: Weder die CSU-Granden Strauß, Zimmermann und Tandler, mit denen er sich als Schriftsteller, Maler, Drehbuchautor, Schauspieler, Theater-und Filmemacher ein ums andere Mal heftig fetzte (»Servus Bayern« / »Das letzte Loch« / »Der junge Mönch«) noch seine (Ex-)Anwohner im Bayerischen Wald, in Buchendorf oder in Ambach. Genauso wenig wie die in der Münchner Burgstraße, wo er seit 1990 wohnt, oder jene im österreichischen Waldviertel, wo er ein ganzes Anwesen bemalt hat. Viele seiner (lebens-)künstlerischen Musen wie zum Beispiel Annamirl Bierbichler, Kurt Raab oder Heinz Braun, mit dem er beispielsweise in »Die Atlantikschwimmer« ein unvergessliches Utopistenduo gebildet hatte, sind inzwischen bereits verstorben. Und auch zwei seiner allerliebsten »Tätigkeiten« abseits des »Faulseins, weil’s mich hier in München eh wie den Valentin verhungern lassen« (Achternbusch) kann er leider im wörtlichen Sinne nicht mehr nachgehen: dem Besuch der ersten Abendvorstellung im hiesigen Filmmuseum sowie dem Genuss von zwei, drei Halben Weißbier im Schneider Bräuhaus, wo er ebenfalls jahrzehntelang Stammgast war.
Überhaupt war er noch in den 2000er Jahren öfters zu Fuß zwischen Marienplatz und Viktualienmarkt unterwegs, denn Achternbusch-Kenner wissen schließlich seit jeher: »I Know the Way to the Hofbräuhaus«. In diesem wunderbar zeitlosen Hassliebe-Film Achternbuschs für seine Heimatstadt wandert er als Fremdenführer gehilfe Hick zusammen mit einer eben dem Sarg entstiegenen Mumie durch München. So wie sich Thomas Bernhard zeitlebens immer wieder aufs Neue mit Österreich – und im Speziellen mit Salzburg– ebenso künstlerisch wie bitterböse auseinandersetzte, so verbindet auch den am 23. November 1938 als Herbert Schild geborenen Achternbusch eine geradezu manische Beziehung zu seinem Geburtsort, der einst wie im angesprochenen Film »nur« von englischsprachigen Touristen überfallen wurde, sich in der Zwischenzeit allerdings längst in einen kalten Business-Hotspot verwandelt hat, für den das gleichsam hintersinnige wie schrille Geburtstagskind in den Interviews aus den vergangenen Jahren nur noch Abscheu übrig hat.
Verbittert sei er schon, sagen die, die ihn manchmal noch sehen. Aber letzten Endes kümmert(e) er sich persönlich sowieso noch nie um sein künstlerisches Erbe: Das hatte er schon als junger Wilder trotzig bewiesen, indem er regelmäßig Bilder, Plastiken oder Skulpturen zerstört hatte. Die Lust am Eklat war ihm selten fremd. Bei der Überreichung des renommierten Petrarca-Preises 1977 schrieer unter anderem: »Leckt’s mich doch am Arsch mit eurem Cicero und mit eurem Petrarca. Der hat sein’ Schwanz auch nur überall reingsteckt. Ich hasse euch Lächerlichkeiten, ihr Pack ohne Mehrheit!« Danach stürzte er den teuren Projektor vom Sockel und warf sogar das Tafelbesteck nach dem Preisstifter Hubert Burda! Dessen Scheck im Wert von 20 000 Mark verbrannte Achternbusch daraufhin sogar vor den Augen Burdas: »Da schau her, was i mit deim Scheißgeld mach«, höhnte der Prämierte.
Nein, aus dem schnöden Mammon hat sich der chronisch arme Herbert Achternbusch wirklich nie etwas gemacht, obwohl er für seine einzigartigen Filme eine Zeit lang durchaus Filmpreise und Fördergelder (z. B. für seinen wichtigsten Film »Das letzte Loch«) einsammeln konnte. Als bayerische Allzweckwaffe in puncto Kunst mit subversivem Impetus ist er im Grunde bis zu seiner bis dato letzten Filmarbeit (»Das Klatschen der einen Hand«) im Jahr 2002 stets dem Kapitel »Es lebe der Partisan!« aus seinem weiterhin lesenswerten Buch »Land in Sicht« treu geblieben. Oder anders formuliert: »Kunst kommt vom Kontern«, noch so ein wunderbarer Kinnhakensatz aus der Achternbusch-Feder. Leider ist es aus all diesen Gründen aber gegenwärtig besonders schwierig geworden, überhaupt noch irgendwo irgendetwas von Herbert Achternbusch zu sehen, zu hören oder zu lesen. Viele Bücher sind nur noch antiquarisch zu bekommen, größere Kunstausstellungen liegen schon länger zurück, und zahlreiche Cineasten, längst nicht nur in München, warten seit Jahren darauf, endlich das digital restaurierte Filmœuvre Achternbuschs in den Händen halten zukönnen. Umso herrlicher ist es nun, dass ihm das Filmmuseum München vom 19. Oktober an eine neunteilige Hommage widmet, in der seltene Achternbusch-Klassiker wie »Die Olympiasiegerin« (1983), »Die Föhnforscher« (1985) oder »Wohin?« (1988) wieder oder für andere überhaupt zum ersten Mal zu sehen sind: Hier ist die Chance! ||
HERBERT ACHTERNBUSCH ZUM 80. GEBURTSTAG
Filmmuseum München| St.-Jakobs-Platz 1
19. Oktober bis 25. November| Programm
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