Das Internationale Figurentheaterfestival München setzt unter dem Motto »mit:gefühl« auf Partizipation und eigene Wahrnehmungen.

Nicht die Bremer Stadtmusikanten, sondern das Puppentheater Pantaleon| © Dominik Alves

Dass sie stolz ist auf das Festival, das diesmalso groß und vielfältig ist wie nie, gibt Mascha Erbelding erst auf Nachfrage zu. Und das ist bezeichnend für die Frau, die die Münchner Internationale Figurentheater-Biennale nunmehr zum sechsten Mal leitet. Seit zehn Jahren findet sich auch das ehemals eigenständige Figurentheaterfestival der Pasinger Fabrik unter ihrem Dach, das ausschließlich Vorstellungen und Workshops für Kinder anbietet. Und die Schauburg ist diesmal nicht nur als Aufführungsort, sondern auch als Mitkurator dabei.

Und wenn es in diesem Herbst eine Großveranstaltung gibt, die man als Theaterinteressierter keinesfalls verpassen sollte, so ist es – Rodeo hin, Politik im Freien Theater her – eben dieses Festival, das vom 17. bis 28. Oktober 31 Inszenierungen aus zehn Ländern zeigt (die man mit viel Zeit und Puste übrigens alle sehen kann!). Darunter 17 für Erwachsene und drei echte Premieren: ein Kinderstück vom Münchner Figurentheater Pantaleon (»So weit oben«), eine Ganzkörpermasken-Parade der Stiftung Pfennigparade und (ein Coup!) mit »Tür zu« ein Badewannenstück für Dreijährige des in Berlin lebenden und international gerühmten israelischen Puppenspielers Ariel Doron. Dazu gibt es ausführliche Einblicke in die Werkgeschichten von Doron, der auch mit dem provokanten Puppenexekutions-Stück »Besuchszeit vorbei« vertreten ist, der »Grande Dame« des Schweizer Figurentheaters Margrit Gysin, die mit gleich drei Kinderstücken kommt, und des deutschen Figurenspielers und-bauers Frank Soehnle. Der baut im Stadtmuseum eine »wunder.kammer« auf, in der er eigene Figuren aus 30 Jahren mit Exponaten der historischen Figurentheatersammlung kommunizieren lässt. Möglicherweise sind auch die Soehnle-Puppen darunter, die einst den Grundstein für Erbeldings Figurentheaterbegeisterung gelegt haben. Das wäre schön!

Ein derart großes Programm gibt es selbstverständlich nicht ohne Geld. Eine ganze Menge davon kommt diesmal von der Kulturstiftung des Bundes, der Neuen unter den Festivalförderern. Und der Spielort HochX gibt einigen der heuer besonders zahlreichen in -stallativen Performances ein Zuhause, bei denen Partizipation gefordert ist, die sich hie und damit einem integrativen Ansatz verpaart. Selbst-Erfahren ist angesagt, die Sinneaufsperren und ihre Beschränkung umso deutlicher wahrnehmen. Und das geht am besten individuell: So führt die Schweizer Gruppe Trickster-p in »B« je einen Zuschauer durch eine assoziativ erzählte Schneewittchen-Geschichte. Und Skappa! & associés aus Frankreich laden in »A« Kinder in eine Ausstellung ein, die von einem Putzmann nach und nach zerstört wird. Beim gemeinsamen Wiederaufbau stellen sich Fragen zur Vertreibung aus dem Paradies und zum großen Thema Flucht.

Klorollenballett in Ariel Dorons »Tür zu« für Kinder ab drei | © Christian Kleiner

Theoretisch zweimal sollte man die Aufführung »Stone Water Sting« des litauischen »Theatre of Senses« besuchen, die ein Teil des Publikums blind erlebt und zu der auch Blinde eingeladen sind. Ausgehend von der Mythologie Litauens arbeitet die Gruppe hier viel mit Gerüchen und Geräuschen. Dennoch werde dabei laut Erbelding auch das Machtgefälle deutlich, das das Fehlen einer bestimmten Sinneswahrnehmung mit sich bringt. Mit einer eigenen Phase der Blindheit beschäftigt sich der brasilianische Tänzer Duda Paiva. »Blind« kombiniert Tanz und Video mit dem Spiel lebensgroßer Puppen, wobei der Puppenspieler teils im Dunklenagiert und vom Publikum beleuchtet werden muss. Mit der eigenen Ohnmacht hadert die Stoffpuppe in »Meet Fred«, die nach dem gescheiterten Versuch, sich als Alleinunterhalter bei einem Kindergeburtstag zu profilieren, einen Puppenspieler gestrichen bekommt und sich entscheiden muss, entweder auf ihre Arme oder ihre Beine zu verzichten. Die Akteure des integrativen Hijinx Theatre aus Cardiff wissen, wovon sie erzählen. Die anderen werden es zu sehen und zu fühlen bekommen.

»mit:gefühl« lautet das Motto des Festivals diesmal, was zur Fülle an sozialen Themen passt, womit aber auch etwas angesprochen ist, ohne das Theater gar nicht funktionieren kann. Und Puppentheater gleich zweimal nicht. Festival-Mitkurator Jörg Baesecke von der Gesellschaft zur Förderung des Puppenspiels e.V. macht darauf aufmerksam, dass sich besonders das therapeutische Puppenspiel die Tatsache zunutze macht, dass der Verstand zwar immer weiß, dass die Puppe nicht lebt, man sich emotional aber dennoch ganz eng mit ihr verbindet. Deshalb beichten Kranke Puppen Dinge, die sie einem Menschen nie anvertrauen würden. Hier setzt die Produktion der US-amerikanischen Gruppe Sandglass Theater an, die aus Workshops mit Demenzkranken entstanden ist. Die werden auf der Bühne von fünf Figuren in Rollstühlen vertreten, mit denen die Zuschauer sprechen können. So etwas geht nur im Figurentheater. Ebenso wie das, was die Ulrike Quade Company in »Maniacs« mit Sexpuppen macht. Ja, es geht dabei um Erotik, sagt Mascha Erbelding, aber auch um die Frage, ob man Objekte lieben kann und wer einem das verbieten darf. ||

MIT:GEFÜHL – INTERNATIONALES FIGURENTHEATERFESTIVAL MÜNCHEN 2018
Verschiedene Orte| 17.–28. Okt.

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