Kieran Joel versammelt Zombies der Liebe in seiner Inszenierung von Shakespeares »Ein Sommernachtstraum«.

Kieran Joels Sommernachtsalbtraum gebiert Zombies (Ensemble) | © Arno Declair

Ist das Ascheregen, was da auf den halb zerstörten Bogen mit griechischen Säulen und pompejanisch bunter Bemalung niedergeht? Und was ist das für eine gräuliche Masse, in der sich vier uniform in geblümte Blusen und helle Jeans gekleidete Schauspieler wälzen? Belle Santos Bühnenbild lässt erst einmal an eine Katastrophe denken, Vulkanausbruch, vielleichtauch Atomunfall. Endzeitstimmung jedenfalls. Der griechischrömisch anmutende Theaterbogen zitiert allerdings Baz Luhrmans Verfilmung von »Romeo und Julia« aus dem Jahr 1996, die Shakespeare für die MTV-Jugend tauglich machte. Vielleicht wird deswegen im Verlauf der Inszenierung auch die augenreizende Projektion einer Flüssigkristalloberfläche auf den Theaterbogen geworfen. Auch wenn die Figuren in Kieran Joels Inszenierung von Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« gelegentlich wie Avatare in einem Computerspiel wirken, ergibt das keinen Sinn. Das (meist viel zu laute) Sprechen über Mikroports erzeugt auch nicht genug Künstlichkeit, um das Setting in einer elektronischen
Parallelwelt zu verorten.

Kieran Joel hat die Textbestandteile von Shakespeares seltsamerweise immer als Komödie tituliertem Drama in eine Box geworfen, kräftig durchgeschüttelt, mit allerhand rohsprachlichen Elementen angereichert und neu zusammengesetzt. Die Figuren wirft er mitten hinein in die Verwirrungen im Wald. Den Athen-Strang lässt er weg, Theseus und Hippolyta kommen nicht vor. Munter verschränkt Joel die tölpeligen Handwerkerszenen mit denen der vier mehr oder weniger Liebenden. Die Handwerker (Jakob Geßner, Oleg Tikhomirov, Mauricio Hölzemann), die Belle Santos in elisabethanische Kostüme und Perücken gesteckt hat, proben im Wald mit viel Kletterei »Pyramus und Thisbe« für die Hochzeit von Theseus und Hippolyta und schleichen sich zombiemäßig an die vier Jugendlichen aus Athen ran. Die landen im Wald, weil Hermia (Carolin Hartmann) mit Lysander (Sebastian Schneider) vor der Zwangsverheiratung mit Demetrius (Timocin
Ziegler) flieht. Helena (Nina Steils) liebt Demetrius und verrät ihm den Plan, beide folgen Hermia und Lysander.

Die Beliebigkeit der Liebe scheint Kieran Joel zum Leitsatz seiner Inszenierung erkoren zu haben. Drehen sich doch die vier jungen Menschen in quälender Dauerschleife im Kreis, stoßen sich ab, demütigen sich, bieten sich an. »Was ist das, nur ein Traum?«, fragt Demetrius verzweifelt. Und liegt damit ganz richtig. Einen immerwährenden Albtraum hat Joel auf die Bühne gestellt, einen Nachtmahr, in dem die Elfen zu Ungeheuern werden. Titania (Luise Deborah Daberkow) und Oberon (Pascal Fligg) mutieren hier zu sabbernden Lehmmonstern. Das einzige Paar, dem Joel einen »romantischen« Moment verpasst, sind Titania und der in einen Esel verwandelte Handwerker Zettel (Jakob Geßner), die sich mit einem Italo-Schmachtfetzen ansingen dürfen. Was Neues erzählt Joel uns nicht. Max Wagners Puck hat seine Funktion verloren und ist nicht mehr Showmaster, sondern nur Stichwortgeber für diesen immerwährenden Albtraum der Liebesnot, aus dem aufzuwachen eine Befreiung ist. ||

EIN SOMMERNACHTSTRAUM
Volkstheater | 12. Okt., 1. Nov. | 19.30 Uhr
Tickets 089 5234655

 


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