Florian Henckel von Donnersmarcks »Werk ohne Autor« wagt sich mit viel Pomp und Pathos an eine deutsche Künstlerbiografie – und ertränkt sie darin.
Einen Film über die heilende Kraft der Kunst und der Liebe. Und natürlich eine große Aufarbeitung der deutschen Geschichte. Nichts weniger wollte Florian Henckel von Donnersmarck mit »Werk ohne Autor« schaffen. Anscheinend hat es funktioniert, schließlich gilt sein Epos als heißer Oscar-Kandidat. Doch zunächst zu seiner Hauptfigur, dem heute berühmten Maler Gerhard Richter. Nun, der junge Künstler in diesem Film heißt Kurt Barnert (Tom Schilling), aber die biografischen und künstlerischen Parallelen sind unübersehbar. Der Film begleitet ihn von seiner Kindheit im Dritten Reich bis zu seinem Erfolg in den Sechzigern.
Am Anfang stehtdie Beziehung zu seiner Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl), die ihm nicht nur die »entartete« Kunst nahebringt, sondern auch den Rat, »niemals wegzusehen«. Auch dann nicht, als sie wegen scheinbarer Schizophrenie deportiert wird und den Tod im Gas findet. Kurts Weg führt ihn weiter an die Kunstakademie. Mit dem Sozialistischen Realismus kann der Freigeist natürlich wenig anfangen, wohl aber mit seiner Kommilitonin Ellie (Paula Beer). Selbstverständlich werden die beiden ein Paar. Was er jedoch nicht weiß: Ihr Vater (Sebastian Koch) war damals der verantwortliche Arzt für die Deportation seiner Tante. Und jetzt hat er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den unerwünschten Schwiegersohn unterzubuttern. Schon vor der Hälfte des Films wird es überklar: Das sind nicht nur Figuren, das ist personifizierte deutsche Geschichte. Henckel von Donnersmarck stößt den Zuschauer so offensichtlich auf alles, dass er es merken muss. Und das nicht nur in der historischen Symbolik: Gefühlt alle zehn Minuten kommt eine »große« Szene, die bis zum Geht nicht mehr mit Pathos, Emotion und Max Richters Musik aufgebauscht wird. So weiß am Ende auch der Letzte, was er zu fühlen hat. Dabei ist es egal, ob Kurt in einem Baum sitzt, er mit seiner Frau schläft oder Dresden bombardiert wird – alles muss perfekt ästhetisiert sein.
Das ändert sich auch nicht im weiteren Handlungsverlauf. Kurt hat in der DDR mit Wandmalereien großen Erfolg, ist aber verständlicherweise unbefriedigt. Also macht er sich mit seiner Frau auf in den Westen und studiert fortan in Düsseldorf bei Professor Antonius van Verten (Oliver Masucci). Der sieht nicht nur aus wie Joseph Beuys und macht dieselbe Kunst wie er, sondern er ist es schlichtweg. Im Zweiten Weltkrieg wurde er über der Krim abgeschossen und von Tataren mit Fett und Filz wieder gesund gepflegt. Im Fall von Beuys eine Legende, hier ein historischer Fakt. Die Geschichte passt einfach zu perfekt ins Gesamtpaket.
Am Ende natürlich – das darf verraten werden – kommt der große Erfolg! Auf etwas anderes kann »Werk ohne Autor« gar nicht hinauslaufen. Einen Sohn hat Kurt natürlich dann auch. Zwar wurde zuvorgesagt, dass Ellie keine Kinder bekommen kann, aber durch die Macht der Liebe geht eben auch das. Alles ist perfekt, alles ist schön, alles ist bombastisch. Man will nach einer Stunde eigentlich nur noch »Ja, ich habe es verstanden!!« schreien. Mal sehen, ob das die Oscar-Jury auch hört. ||
WERK OHNE AUTOR
Deutschland 2018 | Regie: Florian Henckel von Donnersmarck | Mit: Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer u. a. | 189 Minuten
Kinostart: 3. Oktober
Trailer
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