Wie nirgendwo sonst kann man in Penzberg das Werk Heinrich Campendonks in allen Facetten entdecken. Museumsleiterin Gisela Geiger hat lange für das jüngste Mitglied des »Blauen Reiters« gekämpft und sagt nun mit einer farbmächtigen Ausstellung leise servus.

Heinrich Campendonk:
»Penzberger Reiter« (1918) – Das Städtchen Penzberg war geprägt vom Steinkohlebergbau. Der Freund Paul Klee wollte das Blatt erwerben, ein Käufer kam ihm zuvor, jetzt hängt es im Museum Abteiberg Mönchengladbach | Aquarell, 47 x 35,5 cm
(WVZ 735A) | © VG Bild-Kunst 2018

Das Beste hebt man sich meistens zum Schluss auf. Aber auch das ist Ansichtssache, denn Gisela Geiger hätte sich genauso mit ihrer verblüffenden wie formidablen Ausstellung zur Hinterglasmalerei des 20. Jahrhunderts verabschieden können. Doch die scheidende Penzberger Museumschefin wollte noch einmal den Künstler aufs Tapet heben, der das Haus über die Region hinaus zum Anziehungspunkt gemacht hat und den es mittlerweile im Titel trägt: Heinrich Campendonk.

Die Schau ist sogar üppiger geworden, als ursprünglich geplant. Nicht zuletzt, weil sich Geiger wie keine Zweite für das Œuvre dieses jüngsten Mitglieds des »Blauen Reiter« stark gemacht hat und hervorragende Beziehungen zu Sammlern und Museen pflegt, kurz, man vertraut der Expressionismus-Expertin. Deshalb sind mehr Leihgaben als erhofft eingetroffen, darunter ein kühnes Selbstporträt von 1912 aus Den Haag, in dem der technisch auffallend versierte Künstler »Reiter«-Kolorit mit kubistischer Formensprache kombiniert. Wobei sich bereits sein Faible für einen sehr speziellen Mix aus transparenten und opaken Schichtungen ankündigt, der etwa das deutlich spätere »Mädchen mit Ziegen« von 1921 bestimmt.

Rund die Hälfte der 100 Exponate ist zum ersten Mal in Penzberg bzw. (wieder) in Deutschland zu sehen; und im Nebeneinander mit alten Bekannten wie dem »Grünen Kruzifixus vor bayerischer Landschaft« mit den roten Kühen (1913) oder dem »Penzberger Reiter« (1918) aus Mönchengladbach, diesem gebeugten Gegenentwurf zum sich aufbäumenden Heiligen Georg des »Blauen Reiter«-Almanachs, ergibt sich ein luzider Querschnitt durch die wichtigen Schaffensphasen. Das beginnt mit kraftvollen eigenständigen Tuschepinselzeichnungen und geht dann auch gleich in die experimentierfreudige Stilfindung im Umkreis von Marc und Kandinsky über, um bald schon (1916/17) durch die Emanzipation vom übermächtigen Ideal abgelöst zu werden.

Diese Entwicklungen lassen sich in der Hauptsache auf mittleren Formaten nachvollziehen, der Höhepunkt dieser Ausstellung spielt sich allerdings im Kleinen ab und läuft fast Gefahr, übersehen zu werden: Campendonk hat seiner Frau hinreißend bemalte Postkarten geschrieben. Adda muss den jungen Künstler jedenfalls so sehr fasziniert haben, dass er ihr immer wieder flammende Liebesbekundungen schickt. Einmal blickt die Gefährtin sogar von einem Balkon – so wie man sich die mittelalterlichen Burgfräulein vorstellt, denen die Troubadoure ihre Minnelieder nach oben gesäuselt haben. Und auf einer weiteren Karte »betet« der Künstler, Adda »wiedersehen zu dürfen«.

Campendonk notiert diese Zeilen am 7. September 1915 unter ein surreal verspieltes Selbstbildnis, mit dem er seine Frau zur Rückkehr nach Sindelsdorf bewegen will. Im Februar ist er vorzeitig aus dem Militärdienst entlassen worden. Doch Adda war längst wieder in die Heimat an den Niederrhein gefahren, und auch die »Reiter«-Freunde hatten sich aus der Maleridylle im Murnauer Moos verabschiedet: Die Russen Jawlensky, Werefkin und Kandinsky waren in Deutschland nicht mehr geduldet, August Macke fiel gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs, und Marc kämpfte gerade an der Front in Frankreich.

Marc war es übrigens, der den verheißungsvollen Mann aus Krefeld im Oktober 1911 nach Sindelsdorf eingeladen hatte, und diese Begegnung sollte für den damals 21-Jährigen prägend werden. Das zeigen nicht zuletzt auch die PostkartenAquarelle, die nun in Penzberg erstmals im Ganzen präsentiert sind. Und natürlich geht es nicht nur um die angehimmelte Adda, die der Maler Anfang der 30er Jahre dann doch gegen eine flämische Kollegin eintauschen wird. Campendonk taucht genauso in die Welt der Tiere ein – bei den Pferden oder beim »Tiger mit Sternen« kommt er Marc manchmal ganz nahe und überhaupt dessen Postkarten-Korrespondenz mit der extravaganten Dichterin und Zeichnerin Else Lasker-Schüler.

Was die künstlerisch begabte Adda ihrem Heinrich geantwortet hat, ist leider nicht bekannt. Doch diese kleinen anrührenden Campendonks mit ihren komprimierten, oft symbolhaften Bildnachrichten wirken für sich. Allein dafür lohnt sich der Weg nach Penzberg. ||

EINFACH. MAGISCH – DIE BILDWELTEN HEINRICH CAMPENDONKS
Museum Penzberg – Sammlung Campendonk| Am Museum 1,82377 Penzberg | bis 16. September| Di–So 10–17 Uhr
Führungen: So 11 und Do 15 Uhr | Der Katalog »Gemalte Grüße« mit Campendonks Postkarten aus dem Nachlass (43 S.) kostet im Museum 15 Euro |

 


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