Mit der Neuinszenierung des Bühnenhits »Dummy« präsentiert das GOP ein fantastisches Gesamtkunstwerk.
Mit »Dummy« gelang dem GOP Varietétheater vor sieben Jahren ein sensationeller Erfolg. Nun kehrt die Show von Eike von Stuckenbrok und Markus Pabst neu inszeniert und mit einem bis auf wenige ausgewechselten Ensemble zurück. »Dummy« lässt die vertrauten Glitzerkostüme, die hochglanzpolierte Rotlichterotik und hippieske Poesie des Varietés hinter sich und überführt das Genre in die Computerära und die Ästhetik der Clubgeneration. Hier gibt es weder einen Conférencier noch die obligatorischen clownesken Spaßmacher. Zu Kompositionen des Berliner DJs Reecode, einer Mischung aus Dark Electro, wummernden Technobeats, psychedelischen Klängen, Songs, Klassik und dem betörenden Cellospiel von Lih Qun Wong entfalten sich im Halbdunkel ineinanderfließende berauschende Bilder.
Durch Plastikschläuche gleiten die Artisten zu Beginn herab. Mit Hilfe von interaktiven Videoprojektionen (Frieder Weiss) und einer kippbaren Bühne, die an einen aufgeklappten Laptop erinnert, turnen sie auf virtuellen Gitternetzen und in einem funkenstiebenden Feuerstrom. Körper verlieren ihre festen Konturen, generieren geometrische Linienmuster und verschmelzen mit ihnen, vervielfältigen sich, gebären schattenhafte Doppelgänger, die jede Geste zeitverzögert kopieren. Die Grenzen zwischen Virtualität und Wirklichkeit verschwimmen. Eine gezeichnete Tür öffnet sich. Menschen tanzen mit Puppen, jonglieren mit deren Armen und Beinen und mutieren selbst zu Puppenwesen, die knackend und knarzend ihre Glieder bewegen.
Kontrastiert wird die melancholische Grundtönung des Abends durch Komik. Dafür sorgt ein köstliches Spiel mit den Mechanismen der Illusionserzeugung, bei dem sich die Bewegungen der auf der schrägen Bühnenfläche liegenden Performer, auf die Wand dahinter projiziert, in lustige halsbrecherische Slapstickszenen verwandeln. Nata Galkina, eine Meisterin der Fußjonglage mit affengleich beweglichen Zehen, präsentiert eine herrliche kleine Liebesgeschichte zwischen zwei Füßen vom ersten Flirt bis zum Babygeschrei.Nie gerät »Dummy« zum reinen Hightech-Spektakel, das die Präsenz der Artisten überblendet. Wir erleben ein tolles junges Ensemble, dessen Küken, das fantastische Schlangenmädchen Lea Prinz, gerade mal 18 Jahre alt ist. Der Equilibrist mit Young-Rebel-Flair Mario Español springt berückend lässig die Stange hinauf und stürzt sie hinab, als sei dies ein Kinderspiel, und verbiegt sich atemberaubend, während er einhändig auf dem Kopf einer Schaufensterpuppe balanciert. Der Kolumbianer Oskar Mauricio begeistert mit yogihaften Kunststücken am Seil, die Kanadierin Marjorie Nantel bezirzt an den Strapaten mit elegisch schöner Luftakrobatik. Hong Nguyen Thai wirbelt in Breakdancenummern mit schwindelerregender Rasanz über den Boden.
Mit »Dummy« ist dem Regieduo ein faszinierendes Gesamtkunstwerk aus modern verfremdeter Varieté-Artistik, raffinierter Technik, Lichteffekten und Musik geglückt. Diese Show hat es auch in ihrer Neuinszenierung verdient, wieder zum Bühnenhit zu werden. ||
DUMMY
GOP Varieté-Theater| Maximilianstr. 47
bis 28. Okt.| Mi–Fr 20 Uhr (auch 11., 18. Sept., 2., 9., 16., 23. Okt., nicht 27., 28. Sept., 10. Okt.), Sa 17.30 und 21 Uhr (ab Okt. Fr wie Sa), So 14.30 und 18.30 Uhr (auch 3. Okt.) | Tickets: 089 210288444
Das könnte Sie auch interessieren:
Selfie & Ich: Das neue Theaterprojekt von Christiane Mudra
Brechtfestival 2023: Blick ins Programm
»Das große Heft« im Volkstheater
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton