Jule Kracht inszeniert Carsten Brandaus Sprachkunstwerk »Himmel und Hände« mit Körperkomik.

Janosch Fries und Klaus Steinbacher (v.r.) üben sich im A und O der Freundschaft| © Judith Buss

Der eine sitzt auf einer Leiter und schaut pikiert. Der andere buhlt mit allerlei Kaspereien um seine Aufmerksamkeit.Zunächst sind da nur die beiden Schauspieler auf der kleinen Bühne der Schauburg. Und die Kinder im Publikum, die glucksend lachen. Dann beginnt der auf der Leiter zu sprechen und wird gleich grundsätzlich: »Es gibt die Welt/Die Erde/Den Himmel gibt es/Und einen Stern … Funkelnd denk ich einen lichten Stern/Der fällt«. Dies ist nicht mehr und nicht weniger als der Beginn einer Schöpfungsgeschichte. Der Sprecher ist A, A wie die Form der Leiter, A wie derAnfang und das Aufhören. Der andere ist O, sagt »Hollo« oder »rochts« und »lonks«; hat rechts und links Hände wie Schaufeln und Lust, damit zu graben. In den Sand, der für A nur »eingesperrter Strand« ist, gräbt er sich ganz tief hinein. Bis A nicht mehr hinterherkommt, für den das alles »pfui-pah« ist. So wie O nicht mitkommt, wenn sein Freund schon am ersten Kindergartentag an die Schule denkt. Dieser sich immer irgendwo anders hinträumende A, der im Hier und Jetzt wie verloren wirkt. Während O ganz Gegenwart ist, in der er herumrollt und -tollt; so, wie sich Erwachsene alle Kinder vorstellen.

Man kann Carsten Brandaus »Himmel und Hände« weder nacherzählen noch hoch genug loben. Denn ihm gelingt es in diesem eigenwilligen, fein-ziselierten Sprachkunstwerk für Kindergartenkinder von Individualität, Toleranz, Freundschaft und Abschied zu erzählen, von Einsamkeit, imaginären Freunden und der Kraft der Fantasie, ohne auch nur eine dieser Vokabeln in den Mund zu nehmen oder sich in irgendeiner Weise zu seinen kleinen Zuschauern und -hörern hinabzubeugen. Bei den Mülheimer Kinderstücken 2016 gewann er dafür – was selten geschieht – den Jury- und den Jugendjurypreis. Und dass das Ganze auch auf der Bühne funktioniert, beweist Regisseurin Jule Kracht mit den jungen Schauspielern Janosch Fries (A) und Klaus Steinbacher (O). Was der eine sich ausdenkt, führt der andere fast ungestüm aus. Ihr Spiel, ihre Gestik und Mimik, streift das Klischee des blassen Denkers und des von Tatendrang gut durchbluteten Machers schon, aber platt wird es nie, weil die Inszenierung zwar auf Körperkomik setzt, sich aber auf allen Ebenen das Dick-Auftragen spart.

Die Musik (Till Rölle) setzt atmosphärische Akzente, Ursula Bergmanns schlichte Bühne versteckt einen großen Sandkasten unter einer Plane.Und was in der Höhle darunter geschieht, wird auf die Rückwand projiziert. Hier sitzen A und O beieinander – unter der Erde und doch im goldenen Licht, weil sich die Sonne hier ausruht. Und wenn A bis dahin blasshimmelblaue Kleider getragen hat und O sandstrandbeige, haben sich danach die Farben sanftgemischt.Weil es das A und O jeder Freundschaft ist, dass man für immer etwas vom anderen behält.Seltsamerweise driftet die Aufmerksamkeit des jungen Publikums genau dann ab, wenn die Schauspieler aus ihren Rollen heraustreten und von ihren eigenen Kindergartenerinnerungen erzählen. Das machen die beiden durchaus charmant, und doch merkt man gerade hier, wie stark der Sog von Brandaus Sprache ist, der schon kleinste Kinder erfasst. ||

HIMMEL UND HÄNDE
Schauburg| wieder ab Oktober

 


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