Konzerte von King Crimson sind Hochämter der Rockmusik. Für zwei Abende kommt die Band auch nach München.
Spricht man von Popmusik älteren Datums, ist man schnell mit dem Etikett »Klassiker« bei der Hand. In vielen Fällen ist das übertrieben. Auf den Komponisten Robert Fripp und seine Band King Crimson trifft das jedoch in mehrfacher Hinsicht zu. Schon von Anbeginn ihrer knapp 50-jährigen Geschichte war es King Crimson um die Verdichtung mehrere Aspekte von Kunst und Klang gegangen. Elemente der klassischen Musik wurden unorthodox mit Jazz, Progrock und Heavy Metal, zuweilen auch mit entfesseltem Noise kombiniert. Die Band beschäftigte einen Poeten, der eigens für die Texte zuständig war, und das Cover-Artwork hatte zumindest in den Anfangsjahren Subtexte, die über das Dekorative hinausgingen. Viel auffälliger war aber die unterbrochene Lebenskurve des Projekts. Robert Fripp misstraute dem Erfolg. Wann immer es für ihn den Anschein hatte, die Band erhalte zu viel Zuspruch, löste er sie kurzerhand – oft zum Ärger seiner Fans – auf. Inzwischen wissen wir, dass er zuverlässig mit einer neuen Besetzung zurückkehren wird.
Denn King Crimson definiert sich nicht über einen dauerhaften Kader, sondern über eine Idee. Und damit wären wir beim vielleicht wichtigsten Effekt, der die Band zum Klassiker macht. Im Gegensatz zu vielen anderen Oldtimer-Truppen, die auf endlosen Abschieds- und Reunion-Tourneen das goldene Zeitalter einstiger Erfolge heraufzubeschwören hoffen, behandelt Robert Fripp sein Gesamtwerk tatsächlich als zusammenhängendes Œuvre, das es in entsprechendem Rahmen in ein zeitgemäß zeitloses Gewand zu hüllen gilt.
Gegenwärtig ist die Band in einer achtköpfigen Besetzung unterwegs. Einige Mitglieder arbeiten schon länger mit Fripp, andere kommen aus Gruppen wie der Neoprogband Porcupine Tree, den Industrial-Lärmern Ministry oder aus dem stadiontauglichen Umfeld Noel Gallaghers. Acht Leute sind ein kleines Orchester. Und wie in jedem guten Ensemble geht es weniger um die Herkunft und Befindlichkeit der Mitglieder als um die Intentionen des Leiters und die Aufführung des Werks. Man muss in zuverlässigen Quellen nachschlagen, um glauben zu können, dass Robert Fripp 72 Jahre alt ist. Rein äußerlich hat er sich seit 40 Jahren kaum verändert. Auch innerlich scheint er weiterhin eher zuzulegen als abzubauen. All seine Errungenschaften werden in packenden Neuarrangements mit unveröffentlichten Kompositionen und Improvisationen zu einem dreistündigen Spektakel der Superlative gebündelt.
Er könnte sicher auch größere Arenen bespielen, doch der Maestro bevorzugt erlesene Plätze und tritt dort lieber zwei- bis dreimal auf. Massenabfertigung ist nicht seine Sache. Und so ist es schon allein ein Genuss, vor dem immer pünktlichen Konzertanfang den Bühnenaufbau zu bewundern. Vorn sind wie Streicher in herkömmlichen Orchestern die drei Schlagzeuge aufgebaut, dahinter auf Podesten erhöht der Rest der Band. Robert Fripp und King Crimson haben die Trennwände zwischen Rock und Klassik nicht nur durchlässig gemacht, in ihrer aktuellen Konstellation sind sie selbst ein Klassiker, der alle oberflächlichen Rock-meets-Classic-Pastiches ad absurdum führt. ||
KING CRIMSON: UNCERTAIN TIMES – EUROPEAN TOUR 2018
Philharmonie| 16. und 17. Juli | 19.30 Uhr
Tickets: 01806 570070
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