Die ARTMUC wird im Mai fünf. Initiator Raiko Schwalbe im Gespräch über wachsende Anerkennung und wie seine Messe das Verhältnis zwischen Künstler, Galerie und Käufer ändert.
Eigentlich ist schon das Wort Kunstmesse ein Widerspruch. Zumindest solange man »Kunst« und »Messe« als Begriffe ernst nimmt. Es taugt also ganz gut als Spiegel für das widersprüchliche Künstler-Dasein, darin man nicht nur kreativ, sondern vor allem unternehmerisch begabt sein muss. Denn es ist nicht leicht, Fuß zu fassen in einem immer perverseren Kunstmarkt, dominiert von einflussreichen Galeristen, Sammlern und Starkünstlern. Viele bleiben dabei auf der Strecke. Auch in München. Raiko Schwalbe hatte deshalb eine Idee. Warum den Künstlern nicht ein Forum geben, auf dem sie ohne Galeristen ihre Werke direkt verkaufen können? Die ARTMUC war geboren. Eine Produzentenmesse auf der Praterinsel mitten in der Stadt. Heuer wird sie fünf Jahre alt.
Reich, aber langweilig?
»Früher hieß es unter Galeristen immer, inMünchen sei zwar viel Geld, aber nichts los«, sagt Raiko Schwalbe, gebürtiger Berliner, Initiator und Kopf der ARTMUC. Das habe sichin den letzten Jahren ein Stück weit geändert.Für Künstler und Galeristen wird München immer interessanter. »Dieses Jahr hatten wir über 500 Bewerber.« Waren es im ersten Jahrhauptsächlich lokale Künstler, kommen sie heute aus ganz Europa und selbst aus China. Mit 120 Ausstellenden bezieht die Messe deshalb mit dem Isarforum im Deutschen Museum erstmals einen zweiten Spielort. Diese Expansion ist auch durch ein weiteres Novum bedingt: Erstmals wird es eine eigene Plattform für Galerien geben. Denn auch diese sehen in der ARTMUC plötzlich eine Möglichkeit, Zugang zum Münchner Markt zu bekommen. Einen Markt, den es vor allem in der Breite bis vor kurzem so nicht gab. »In den letzten zehn Jahren sind so viele Messen gescheitert. Fünf Jahre ARTMUC sprechen dagegen für echte Konstanz.«
Doch was für eine steigende Attraktivität spricht, wirft auch Fragen auf: Galerien auf einer Produzentenmesse? Untergräbt das nicht den Ursprungsgedanken der ARTMUC, nämlich Künstlern,die sich ohne Galerien durchschlagen müssen, eine Plattform zu geben? »Das ist heuer ein Experiment und ich bin nicht sicher, ob esauf Dauer das Ziel ist, eine Zwittermesse zu sein. Aber Galerien erhöhen mit ihrer Expertise auch das qualitative Standing der anderen Künstler.«
Niedrige Hemmschwelle
Für Schwalbe ist das wichtig. Denn gerade mit der Frage nach Seriosität hatte die ARTMUC in den Anfangsjahren etwas zu kämpfen. Was für die einen eine Talentmesse für aufstrebende Künstler war, galt den anderen als Kleinkunst-Flohmarkt. Zu Beginn, berichtet Schwalbe, habe es immer wieder Kritik an der Qualität der Arbeiten gegeben. Mittlerweile sei diese in positives Feedback umgeschlagen. Dies bezeugten auch die Verkäufe. Auf derletzten ARTMUC gingen einzelne Arbeiten für über 30 000 Euro über den Tisch.
Schwalbe sieht seine Messe unverdrossen selbstbewusst auf dem Weg hin zu einer immer besseren Ausstellung, wenngleich er auch einschränkt: »Qualitativ konkurrieren wir nicht mit dem Haus der Kunst. Genauso ist es nicht unser Anspruch, eine neue Art Basel zu werden. Bei uns kostet eine Ausstellungs-Koje nicht 50 000 Euro, sondern um die 500 Euro, und das soll so bleiben.« Die ARTMUC sei eine Messe für Künstler, die sich die großen Messen nicht oder noch nicht leisten könnten. Diesem Ansatz entsprächen auch Stimmung und Klientel. »Das ist eben kein Kunst-Supermarkt wie andere Kunstmessen.« Neben vereinzelten, schwerreichen Sammlern seien die meisten Käufer Steuerberater oder Ärzte, die oft erst anfangen, Kunst zu kaufen. Aber genau daraus, so Schwalbe, resultiere der Erfolg der ARTMUC. »Viele unserer Besucher vermeiden den klassischen Galeriebesuch, weil sie Gespräche mit Galeristen oft einschüchtern. Bei uns sprechen die Leute direkt mit den Künstlern. Die Hemmschwelle ist viel niedriger. Den einen vereinfacht das den Zugang zur Kunst, den anderen den zum Kunstmarkt.« Das klingt erstmal nett: Kunst direkt vom Künstler erklärt. Das klingt aber auch nach einem naiv dekorativen Verständnis von Kunst. Schwalbe begegnet solchem kunstüblichen Pathos pragmatisch: »Von einem akademischen Kunstdiskurs, also von der Frage, was Kunst darf, soll, muss, haben wir uns schon immer distanziert. Wir fahren einen hedonistischen Ansatz. Die Leute sollen reinkommen und sich mit dem, was sies ehen, auseinandersetzen. Es gibt auch Konzeptkunst, die einen zum Nachdenken zwingt, aber ein guter Teil der Arbeiten ist natürlich auch einfach dekorativ.« Dabei die richtige Balance zu finden, ist Aufgabe der kuratierenden Jury aus Kunstwissenschaftlern und Künstlern.
»Klar, ein Künstler wie Gerhard Richter kommt nicht zur ARTMUC. Der hat ja Galerien. Aber wir achten bei der Auswahl der Künstler stark auf den Grad der Professionalität und versuchen so, als junge Messe qualitativ immer stärker zu werden.« Knapp 12 000 Gäste kamen letztes Jahr auf die ARTMUC. Schwalbe rechnet heuer, auch wegen der Galerien und der größeren Ausstellerzahl, mit weiterem Zuwachs. Und das, obwohl er auf Rahmenprogramm und Vernissage verzichtet. Gut vierzig Prozent der Besucher seien Käufer. Der Rest interessiere sich einfach für die Ausstellung. »Aber manche kommen dann im Jahr darauf wieder und kaufen hier ihr erstes Bild. Hier wachsen also auch Käufer heran.« ||
ARTMUC KUNSTMESSE
Praterinsel und Isarforum Deutsches
Museum|10–13. Mai und 9.–11. November
Do/Fr/Sa 12–20 Uhr, So 12–18 Uhr | Eintrittspreise und Infos
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