Über 40 Jahre im Dienst: Walter Storms macht in der Schellingstraße museumsreife Ausstellungen zeitgenössischer Klassiker – und fördert junge Künstler. Ein Porträt.
»Ich war mit dem Scully zusammen, und da habe ich zu ihm gesagt, jetzt zeige ich dir mal was. Ich bin mit ihm in die Schellingstraße gefahren und habe ihn in die Halle geführt. Und da war der richtig begeistert …« Bald zehn Jahre ist es her, dass Walter Storms den Schritt wagte, die 550 qm großen Räume der Galerie Sprüth Magers in Schwabing zu übernehmen und dort seinen neuen Galeriestandort zu etablieren: einen White Cube von kunsthallenartigen Ausmaßen in einer ehemaligen Autowerkstatt im Hinterhof, den er 2009 mit den großformatigen Malereien des Künstlers Sean Scully eröffnete.
Die Freude darüber, dass ihm dieser Coup gelungen ist, ist Storms ins Gesicht geschrieben, und die Gewissheit, dass die Großformate seiner namhaften Künstlerriege an den hohen Wänden besser zur Geltung kommen als zuvor in der 50er-Jahre-Villa in der Ismaninger Straße. Für die Kissenbilder von Gotthard Graubner, die geometrisch-abstrakten Gemälde von Günter Fruhtrunk, die monochromen Bilder von Gerhard Merz und Rupprecht Geiger, die Fotoarbeiten von Roland Fischer und Robert Voit, die Skulpturen von Julia Mangold, für Malereien von Peter Krauskopf und Neonarbeiten von Albert Hien und die Riesenformate von Günther Uecker ist die Halle wie geschaffen.
In den 41 Jahren seit Gründung der Galerie ist ein hochkarätiges Programm zusammengekommen – so mancher Galerist wäre um nur einen dieser Künstler dankbar. Seinen Freund Scully vertritt die Walter Storms Galerie in Deutschland exklusiv, und sie verwaltet auch die Nachlässe von Fruhtrunk und Raimund Girke. Zudem hat Walter Storms bereits in den ersten Jahren seine Fühler nach Italien ausgestreckt und heute namhafte Künstler wie Marco Gastini und Giuseppe Spagnulo im Programm. Ganz zu schweigen von seinen frühen Kontakten zu osteuropäischen Künstlern wie Stanislav Kolíbal und Magdalena Jetelová, denen er sein Entree in die Münchner Kunstszene verdankte: Bereits 1972 richtete er als Kunst-geschichtsstudent für eine Ausstellung zu den Olympischen Spielen im Auftrag des Organisationskomitees eine Sektion mit tschechischen Künstlern ein. Und Jetelová, zum Beispiel, zeigte er 1983 als Erster im Westen und begleitete seither ihre Karriere. Mit der für ihn typischen Mischung aus Nonchalance, Understatement und Koketterie plaudert er in der Küche der Galerie – »damit es ein bisschen persönlicher zugeht« – in charmantem rheinländischen Singsang offen und munter über die beruflichen und privaten Höhen und Tiefen seines bewegten Lebens.
Von Beginn an bis zum heutigen Tag, so betont er immer wieder, war ihm klar, dass es ohne persönlichen Einsatz – besonders auch finanziellen – nicht läuft. »Die meisten großen Galeristen kommen aus einer Industriellenfamilie oder einer Kunstdynastie. Bei mir ist nichts von beidem. Ich musste mir mein Geld immer selbst verdienen. Zum Beispiel am Anfang nebenbei als Lastwagenfahrer.« Das Kapital, das der gebürtige Rheinländer (*1947 in Erkelenz) mitbrachte, als er 1977 seine erste Galerie in einem Hinterhof an der Kaulbachstraße von der Witwe des Malers Ernst Wilhelm Nay mietete, war – und ist bis heute – seine Leidenschaft für die Kunst, sein Sachverstand als Kunsthistoriker, seine Lust am Gründen und seine ausgesprochene Fähigkeit als Kommunikator. So rief er 1980 zusammen mit anderen Galeristen die Zeitschrift »Neue Kunst in München« ins Leben, baute über die Jahre mit ehemaligen Kommilitonen wie den späteren Münchner Sammlungsleitern Helmut Friedel, Florian Hufnagl und Michael Semff ein tragendes Netzwerk auf, gründete den Freundeskreis des Lenbachhauses und pflegt zu wichtigen Personen und zu Sammlern intensive Beziehungen. Nach 20 Jahren in der Kaulbachstraße wechselte er ins noble Bogenhausen. Seine dortigen Galerieräume mit der großen Küche und dem Skulpturengarten in seinem Wohnhaus an der Ismaninger Straße nutzt er nach wie vor für besondere Veranstaltungen wie exklusive Ausstellungen und Dinner.
Besonders wichtig ist ihm das persönliche Verhältnis zu seinen Künstlern – davon zeugen auch seine Einladungskarten, auf denen er sich immer mit den jeweils Präsentierten abgebildet hat. Sein Versuch vor einigen Jahren, zusammen mit einem Unternehmensberater ein komplexes, letztlich rein wirtschaftlich ausgerichtetes Geflecht mit Partnern und Investoren zu etablieren, scheiterte: Die Inhalte, die Künstler und die Sammler kamen zu kurz, und vor allem Walter Storms selbst. Er fühlte sich nicht mehr wohl in seiner Haut, dröselte das ganze Unterfangen mühsam wieder auf und kehrte zurück zu seinem bewährten Galeriemodell. Überhaupt hat man den Eindruck, dass Storms das Altbewährte schätzt, auch wenn er Neuem gegenüber – etwa den jungen Künstlern der Akademie – mit Neugier und Engagement begegnet. Was ihm missfällt, dem kehrt er ohne viele Worte rasch den Rücken, etwa der letztjährigen documenta: »Das ist jetzt alles so das Politische, da wird so gebastelt.«
Auch das Figürliche, Surreale und Gestische liege ihm nicht. Lieber bleibe er seinem Programm mit künstlerischen Positionen des Ungegenständlichen, Konkreten treu. Gern hebt er hervor, was alles beim Alten geblieben ist: etwa die langjährigen Weggefährten unter den Galeristen, mit denen er seit nunmehr 40 Jahren ein kollegiales Verhältnis pflegt. Oder die OPEN ART, auch eine seiner Erfindungen: Seit 30 Jahren ist das alljährliche Galerienwochenende nahezu unverändert in den Saisonstart des Münchner Kunstjahres nach der Sommerpause eingetaktet. Für die Geschäftsstelle der Galerieninitiative, deren Geschicke Walter Storms 20 Jahre lang leitete, hat er einen Büroraum in seiner Galerie zur Verfügung gestellt. Vielen jüngeren Galerien scheint das System inzwischen allerdings zu starr zu sein, sie sind aus der Vereinigung ausgetreten oder schließen sich von vornherein nicht mehr an. Auf die Frage, ob die Vermittlungsform Galerie an sich ein Auslaufmodell sei, winkt er überrascht ab. »Ach, Onlinehandel und so, nee, die Künstler brauchen den Galeristen, die wollen, dass ihre Sachen ordentlich gezeigt werden. Und die Messen werden immer wichtiger, da wird das Geschäft gemacht.« Da spricht die langjährige Erfahrung eines Etablierten. Nach 35 Jahren Dauerpräsenz gilt Walter Storms als Platzhirsch auf der ART COLOGNE. »Die ARCOmadrid mache ich inzwischen nicht mehr und in Basel wollen sie mich nicht mehr haben. Da habe ich große Präsentationen hingeschickt, aber das ist so ein System, wenn du da einmal nicht mitmachst, kommst du nicht mehr rein.«
Und dann erzählt er noch von seiner Frau, es ist seine dritte, mit der er seit acht Jahren zusammen ist. Caro Jost, selbst bekannte Münchner Künstlerin, ist nicht nur Bestandteil des Galerieprogramms, sondern inzwischen auch in die Galeriearbeit hineingewachsen. »Wir machen vieles zusammen, vielleicht macht sie den Laden ja später mal weiter.« Angesichts der sprühenden Energie und der jugendlichen Erscheinung des 71-Jährigen liegt dieses »später« jedoch in weiter Ferne. Zum Galeriejubiläum zeigte er in wöchentlichem Wechsel all die Künstler, denen er verbunden ist – und die erste Einzelausstellung des jungen Münchners Tim Freiwald. Auch mit seiner kommenden Präsentation betritt er mal wieder Neuland. Gerold Miller ist zwar keineswegs ein Unbekannter, Walter Storms kennt ihn seit Jahren, aber in München wird der Berliner Künstler (*1961 in Altenhausen) jetzt in seiner Galerie in der Schellingstraße erstmals vorgestellt. ||
GEROLD MILLER
Walter Storms Galerie| Schellingstr. 48 (Rgb.)
14. April bis 2. Juni| Di bis Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr
Das könnte Sie auch interessieren:
Auf Spurensuche: Die Ausstellung in der Gemäldegalerie Dachau
Oskar Schindler: Die Ausstellung im Sudetendeutschen Museum
Caro Jost in der Galerie Britta Rettberg und im CAS
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton