An den Kammerspielen inszeniert Amir Reza Koohestani »Die Attentäterin« von Yasmina Khadra als Parabel der Hoffnungslosigkeit.

Mahin Sadri und Thomas Wodianka| © Judith Buss

Am Ende herrscht Ratlosigkeit. Sie ist einerseits politischer Natur, denn Amir Reza Koohestanis Inszenierung »Die Attentäterin« schenkt ebenso wenig wie der Roman gleichen Namens Hoffnungen für den Dauerkonflikt zwischen Israel und Palästina. Das Ende der hier erzählten Geschichte kostet Menschenleben, der Anfang auch. Dazwischen forscht der arabischstämmige Israeli Amin Jaafari nach den Gründen, aus denen seine Frau Sihem sich zwischen Tel Aviver Kindern in die Luft gesprengt hat. Dabei verschlägt es ihn auch in die Palästinensergebiete, wo man Sihem feiert und zwischen Amins Familienangehörigen und einer altklugen Neu-Attentäterin in spe so plakative Thesen und hölzerne Sätze herumpoltern, dass man sich fragt: Ist Koohestani die Schauspielerführung zuletzt aus den Händen geglitten? Wo er doch schon zuvor für eine quasidokumentarische Anmutung zumindest die Sprechkunst an der langen Leine führte. Oder ging es ihm am Ende nur noch um Hintergrundinformationen über das in der Tat kolossal hoffnungslose »Leben der Anderen«?

Generell aber hat der Regisseur aus dem Iran, der nach »Der Fall Meursault« zum zweiten Mal an den Kammerspielen inszeniert, eine ausgeklügelte Bildproduktionsmaschinerie um einen langen Tisch herum aufgebaut (Bühne: Mitra Nadjmabadi), der als Kantinen-, OP-, Verhör- oder Familientisch dient und als letztes Refugium eines krebskranken Juden am Meer. Walter Hess spielt den vom Gedanken an die Shoah Besessenen, der das Gros seiner Traumata Nazifilmen verdankt, Samouil Stoyanov die bräsige Arroganz des israelischen Polizeiapparats. Fast alle außer Thomas Wodianka als Amin spielen mehrere Rollen zwischen in mobilen Säulen versteckten Kameras, die sämtliche Tischszenen aus verschiedenen Winkeln aufnehmen und die vergrößerten Bilder an die gerasterte Bühnenrückwand werfen. Das peppt das karge Setting optisch auf, evoziert aber auch das wachsame Auge der Geheimdienste und den Generalverdacht, der auf dem Arzt mit dem arabischen Namen liegt. Der Druck aber, unter dem alle hier stehen, schleicht sich erst allmählich in den Abend. Anfangs plaudert Amin mit seiner Lieblingskollegin (Maja Beckmann) noch reichlich aufgekratzt über Penisse. Diesen Dialog hat Koohestani dem 2005 erschienenen Roman Yasmina Khadras ebenso hinzugefügt wie die Anwesenheit der toten Titelfigur. Mahin Sadri spielt sie als Mysterium und steht oft stumm und bunt im sonst fast monochromen Bild. Mal sieht man nur ihren Kopf auf der Rückwand – das Einzige, was nach der Explosion von ihr übrig war. Manchmal spricht sie auch, etwa vom Privileg, die Bombe selbst gezündet haben zu dürfen. Ob das schon ihre feministischen Motive sind, von denen das Programmheft kündet? Teilweise verspricht und will Koohestani zu viel. Während Khadras Buch spannend ist wie ein Krimi, gelingt ihm aber immerhin eine gut gebaute Parabel, deren niederschmetternde Lehre gerade wir Westler sofort begreifen: Wenn miteinander am Tisch sitzen und reden nichts hilft, dann hilft gar nichts mehr! ||

DIE ATTENTÄTERIN
Kammer 1| 8. April| 18 Uhr | 16. April, 3., 14., 23. Mai| 20 Uhr | 27. Mai| 16 Uhr
Tickets: 089 23396600

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