Und die Schauspielerin Astrid Jacob schlüpft in die Rolle seiner Erfinderin Patricia Highsmith – ab April im Teamtheater.
Es ist verbürgt, dass Patricia Highsmith ihren Gästen Schnecken ins Bett legte. Sie mochte keine Gäste in ihrem Altersdomizil Tegna im Tessin. Sie war verbittert, misanthropisch, bösartig. Ein Giftbolzen, geprägt von einer verheerenden Kindheit. Ohne triftigen Grund wagte sich kaum jemand zu ihr. Der junge Verlagsagent Edward Ridgeway will das: Er soll die Krimiautorin zu einem neuen Bestseller über ihren berühmten Helden Tom Ripley überreden. Das ist der Plot des Stückes »Der Fall Patricia Highsmith«. Die Australierin Joanna Murray-Smith, bekennende Highsmith-Bewunderin, schrieb 2014dieses psychologische Kammerspiel, in dem Realität und Fantasie ver schwimmen. Damit kehrt die Schauspielerin Astrid Jacob nach München zurück. Ihr Gegenspieler, in der Inszenierung von Dieter Nelle im Teamtheater, ist David Tobias Schneider.
Jeder Krimi-Leser kennt Tom Ripley. Der Roman »Der talentierte Mr. Ripley« machte Patricia Highsmith 1955 weltberühmt. René Clément verfilmte ihn 1960 mit Alain Delon (»Nur die Sonne war Zeuge«). Bis 1991 schrieb Highsmith vier weitere Romane über den charmanten, skrupellosen, amoralischen Spieler, Betrüger und Mörder Tom Ripley – alle Bestseller. Aber sie schrieb auch 17andere Romane und viele Kurzgeschichten, teils unter dem Pseudonym Claire Morgan, denn sie wollte sich nicht als lesbische Schriftstellerin einordnen lassen. Weil sie in den USA nur als Krimiautorin gesehen wurde, übersiedelte sie frustriert 1963 nach Europa, wo man sie als Literatin würdigte.Sie lebte in Süditalien, England und Frankreich, ehe sie sich in der Schweiz niederließ. Mit 74 Jahren starb sie in Locarno anKrebs und Anämie.
Kurz vor ihrem Tod sucht Tom Ripley sie nochmals heim – jedenfalls auf der Bühne. Astrid Jacob sagt: »Der Trick des Stückes ist, dass es biografisch wirkt, aber eine Fiktion ist – Dichtung und Wahrheit. Es ist das Machtspiel einer Frau mit einem Mann, den sie zunächst arrogant ablehnt, der aber dann zum Faszinosum wird. Anfangs erlebt man die aggressive Diskussion zwischen der Autorin und dem jungen Edward Ridgeway über das amerikanische Verlagswesen. Er drängt sie zu einem neuen Ripley-Roman, den sie nicht schreiben will. Sie reden über Waffen, über die Macht des Bösen, über ihren Tod und sie sagt: ›Ich habe es mir verdient, meinen eignen Tod zu schreiben. Das ist mein Gebiet. Wenn ich gehe, dann mit einem Knall.‹«
Ridgeway (der Name klingt nicht zufällig ähnlich wie Ripley) erweist sich als waffenkundig und selbstbewusst, das verlagert die Machtverhältnisse: Er entwickelt mit ihr einen neuen Roman-Plot. Damit, so Astrid Jacob, »schiebt sich eine zweite Realitätsebene in den Vordergrund. Letztlich begegnet sie ihrer liebsten Schöpfung, ihrem größten Erfolg.« Petra Maria Grühn, die Leiterin des Münchner Teamtheaters, hat ihr das 2014uraufgeführte Stück vorgeschlagen. Und da die deutsche Übersetzung von Peter und John von Düffel stammt, sagte Astrid Jacob schnell zu. Am Teamtheater spielte sie in den 80er Jahren »Ein Fest für Boris« von Thomas Bernhard, in der Hauptrolle der beinlosen »Guten«. Seitdem blieben Grühn und Jacob befreundet – von Intendantin zu Intendantin. Denn Jacob leitete von 2007 bis 2014 die Neersener Schlossfestspiele in der Nähe von Krefeld.
Aufgewachsen in Bochum, hat sie bereits als Schülerin Kindertheater inszeniert. Ihre Lehrer haben’s den Eltern prophezeit: »Die wird Schauspielerin.« Familiär unvorbelastet, las sie sich früh durch Ibsen und Schiller, spielte nach der Schauspielschule in Gelsenkirchen, Saarbrücken, Nürnberg und Frankfurt große Rollen wie die Maria Stuart. Nach der Heirat mit einem Schauspielerkollegen blieb sie freiberuflich. 1976schrieb sie ihr erstes Soloprogramm über das Dritte Reich und die verbrannten Dichter. Hans-Joachim Kulenkampff empfahl sie damit an Sammy Drechsel, so kam sie zur Lach & Schieß. »Die 80er Jahre in München waren toll, mit vielen interessanten Menschen.« Nach vier Jahren im Ensemble stieg sie aus, weil sie fürchtete, den Anschluss ans Theater zu verlieren. Aber sie arbeitete weiter gesellschaftskritisch: Für Cathérine Miville, Intendantin am Dreispartenhaus in Gießen, schrieb sie unlängst ein Stück über das Grundgesetz: »Jeder hat das Recht«. Sie inszenierte Opern und Schauspiel, schrieb Revuen und Musicals und tritt bis heute mit ihren MaschaKaléko-Soloprogrammen auf. Am Teamtheater zu spielen, ist für sie ein Wieder-Ankommen. Die Figur der gealterten, verbitterten Schriftstellerin führt in psychologische Abgründe: »Highsmith fasziniert das Geheimnis hinter der Tat«, sagt Jacob, »in ihren Krimis geht es nicht um das ›Whodunit‹, sondern um das ›Whydunit‹. Warum jemand zum Mörder wird, das hat sie interessiert.« Die Schauspielerin lässt sich darauf neugierig und offen ein. ||
DER FALL PATRICIA HIGHSMITH
Teamtheater Tankstelle| Am Einlaß 2a | 6. April bis 5. Mai
Mi–Sa 20 Uhr | Tickets: 089 2604333
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