Prodromos Tsinikoris führt in »Hellas München« durch die Geschichte der Griechen in unserer Stadt.

Valantis Beinoglou (hinten), Aikaterini Softs, Prodromos Tsinikoris und Angelos Georgiadis (v.l.) singen ein ironisches Loblied auf München.

München wird gerne mal als nördlichste Stadt Italiens bezeichnet. In Wirklichkeit ist sie die nördlichste Stadt Griechenlands. Geradezu Isar-Athen. Sieht man ja. Am Königsplatz zum Beispiel. Den hat Ludwig I. mit klassizistischen Bauten ausstaffieren lassen. 1830 lud der Philhellene Ludwig junge Griechen zum Studium nach München ein, auf dass sie ihr in Bayern erworbenes Wissen später in Griechenland für seinen Sohn König Otto einsetzen. Nur sind die Griechen in München geblieben. König Otto allerdings nicht in Griechenland. 1862 musste er sein Reich nach einem Aufstand verlassen und nach Bayern zurückkehren. Angeblich hat er immer Heimweh nach Hellas gehabt. So wie die griechischen Gastarbeiter, die ab 1960 nach München kamen. Und die »Griechische Sendung« im BR hörten.

An der haben Prodromos Tsinikoris und Anestis Azas sich ein Beispiel genommen und laden in ihrer Performance »Hellas München« Studiogäste ein. Auf die Bühne darf an diesem Abend nur, wer einen Migrationshintergrund hat. Also sitzt Prodromos Tsinikoris unter der Plane, die zu Beginn über den Möbelverhau (Bühne und Kostüme: Eleni Stroulia) ausgebreitet ist, als würden gleich die Maler zum Renovieren kommen. Tsinikoris ist ein waschechtes Gastarbeiterkind aus Wuppertal und leitet die Experimentalbühne des Nationaltheaters Athen. Hat also quasi einen doppelten Migrationshintergrund. In seinem Studio auf der Bühne der Kammer 3 laufen auf einer Leinwand Filme aus den 60er und 70er Jahren: Hochofen, Stahlschmelze, Fließband – die Griechen waren ja weniger Gäste als vielmehr Arbeiter und eigentlich nur hier, um das deutsche Wirtschaftswunder am Laufen zu halten und dann wieder abzuhauen. Gegangen sind sie nicht wieder, zumindest nicht alle, und wenn, dann oft erst, wenn sie alt waren. Die Stimmen von Kostis Kallivretakis, Akylas Karazissis, Kostas Koutsolelos und Eleni Tsinikori erzählen von der Ankunft mit dem Akropolis-Express an Gleis 11 und vom Olivenbaumpflanzen in der alten Heimat. Sie bedauern, dass der Zusammenhalt verloren ging und sich keiner mehr gegenseitig besucht. Oder schimpfen, dass, wer Kellner bleiben will, halt in Griechenland bleiben soll.

Tsinikoris hat drei Expats aus der Generation der sogenannten Working Poor zum Gespräch geladen, junge qualifizierte Menschen, die in Griechenland wegen der dort anhaltenden Krise keinen Job finden. Launig erzählen und singen Aikaterini Softsi, Angelos Giorgiadis und Valantis Beinoglou von ihren Erlebnissen und Irritationen in München, von zahlreichen Vernetzungsmöglichkeiten, aber auch von Ausbeutung und Frustration nach der hundertsten Bewerbung. Dagegen empfiehlt Tsinikoris eine lustige Kissen-Schreitherapie. Zum Schluss weichen die historischen Bilder aus dem Leben von griechischen Einwanderern aktuellen der drei Bühnenprotagonisten aus ihrem jetzigen Leben in München. Sie haben es alle geschafft.
Also alles gut? Scheint so. Und doch schwingt im ironischen Abschlusslied »Έλα στο Μόναχο« (Komm nach München) eine gewisse Trauer mit. »Leben heißt Verzicht«, tönt es da. Und so lässt dieser unterhaltsam an der Oberfläche treibende Abend einen doch etwas nachdenklich zurück.

Hellas München
Kammer 3 | 25.-27. Februar | 20 Uhr | Tickets 089 23396600 | www.kammerspiele.de 

 


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