Michael Stückl ist der Mann hinter der Unterfahrt. Und er hat allen Grund zum Feiern.

Michael Stückl, im richtigen Leben
Medizin-Controller, im Ehrenamt künstlerischer Leiter der Unterfahrt © Ralf Dombrowski

Im April 1978 eröffneten Herbert Straub und Mike Uitz die Unterfahrt in Haidhausen als Liebhaberprojekt, eine Livekneipe mit Billardtisch zum Abhängen für Musiker und Freaks. Dann kam 1983 Sepp Dachsel, programmierte bis 1987erstmals mit professionellem Anspruch und übergab die damalige Bühne in der Kirchenstraße daraufhin an Lisl Geipel, die als Wirtin ein gutes Jahrzehnt lang die Unterfahrt leitete. Mit ihr gemeinsam begannen Michael Stückl und Christiane Böhnke-Geisse sich um die Programmplanung zu kümmern, nebenbei und ehrenamtlich. Der 1979 gegründete Verein »Förderkreis Jazz und Malerei München e. V.« wuchs darüber hinaus langsam, aber beständig und ist inzwischen mit fast 1.300 Mitgliedern eine der Säulen des Clubs. Die Eckkneipe in der Kirchenstraße entwickelte sich auf diese Weise zur Spielwiese der heimischen und internationalen Szene. Im September 1998 zog die Unterfahrt in ihre jetzigen Räumlichkeiten, erlebte seitdem mehrere Wirte und Interimsleiter, eine Phase, die sich mit den Gastronomen Walter Prijak, Herbert Mandl und dem Programmteam von Michael Stückl, Andreas Heck und Wolfgang Schmid nun so konsolidiert hat, dass der Club in den Einstein-Katakomben zu den wichtigsten Live-Jazzbühnen Europas gehört.

Wie macht man einen guten Jazzclub?
(lacht) Darüber habe ich in letzter Zeit viel nachgedacht. Ich glaube, es liegt zu einem großen Teil daran, dass man eine persönliche Beziehung zu seinem Publikum aufbaut. Seit ein paar Jahren kümmere ich mich vermehrt darum, dass die Leute nicht nur Clubmitglied sind, damit sie einen ermäßigten Eintritt haben, sondern dass man sich kennt, sich begrüßt, all das Drumherum. Ich komme aus einem Wirtshaus und bin auch so sozialisiert, mit seiner Kundschaft persönlich umzugehen. Und das hat aus meiner Sicht dazu geführt, dass die Leute sich immer wohler fühlen und öfter kommen. Wir haben im vergangenen Jahr acht Prozent mehr Zuhörer gehabt als im Jahr davor, das bis dahin unser bestes Jahr war. Auch jetzt sind es im Schnitt schon wieder fünf Prozent mehr. Und natürlich ist es eine Frage des Programms. Unser Publikum ist mittlerweile ziemlich anspruchsvoll, da muss man immer noch einen draufsetzen, was Neues bieten. Ich finde das ja gut, weil es Spaß macht, das zu bedienen.

Wie bleibst du auf dem Laufenden?
Viele Musiker schicken uns Material. Im Schnitt kommen etwa 30 Bewerbungen pro Tag an, die wir buchen könnten, die Projekte, die nicht reinpassen schon abgezogen. Ich bin auch viel unterwegs und habe festgestellt, dass ich mir die Musik wirklich ausführlich anhören muss. Ein paar YouTube-Clips reichen da nicht. Denn manches wirkt zunächst gut, langweilt aber nach zwei, drei Stücken. Gut ist, dass wir seit mehr als einem Jahr die Entscheidungen in einem Programmteam fällen. Dazu gehören Wolfgang Schmid und Andreas Heuck. Rebekka Paas hat sich aus Zeitgründen da etwas rausgenommen. Gerade zu den Künstlern, die man nicht kennt, machen sich die beiden die Mühe, alles genau anzuhören. Sie geben fundierte Statements ab, wir diskutieren, das ist sehr spannend, weil wir durchaus auch anderer Meinung sind. Gerade bei Newcomern müssen wir uns sehr genau überlegen, wo man sie im Programm platziert, damit sie wahrgenommen werden. Vor Kurzem zum Beispiel hatte wir das Philippe Lemm Trio hier, kannte keiner, da kamen vielleicht 30 Leute, aber die sind derart geflasht nach Hause gegangen, dass sie das bestimmt weitererzählen werden. Der erste Schritt ist getan.

Bislang sollte das Programm immer in ein bisschen München, ein bisschen Deutschland und Europa und der Rest international aufgeteilt sein. Wie sieht das inzwischen aus?
Es ist immer weniger München dabei. Das liegt nicht daran, dass wir das nicht machen wollen. Es bewerben sich jedoch viel mehr Bands aus Köln oder Berlin, von hier hingegen kommt bis auf ein paar Studenten kaum etwas. Ich habe im Moment nicht das Gefühl, dass es in München eine Szene gibt, die viel ausprobieren will. Ein paar machen immer das Gleiche, dafür finde ich dann kein Publikum mehr. Mir ist das eigentlich sehr wichtig, die deutsche Szene einzuladen, aber da ist immer besonders viel Mühe nötig, damit die auch Publikum haben. Ansonsten hatten wir in den vergangenen Monaten Künstler aus 25 europäischen Ländern und international von Südafrika über Mexiko bis Neuseeland und vieles mehr, quer durch die Welt.

Ich habe überhaupt das Gefühl, dass sich zurzeit im Jazz wieder sehr viel tut …
Es kommen viele junge und spannende Sachen aus Amerika, auch viele Europäer, die in New York leben …

Auch das Publikum verändert sich …
Es hat sich schon viel getan, und es kommen viele Jüngere nach. Klar gibt es Konzerte wie die Big Band Montage, da ist der Durchschnitt oft über 50. Aber ansonsten lassen sich die jungen Leute durchaus begeistern. Wir können uns da nicht beschweren.

Wo kann man denn als Veranstalter noch weiter Gas geben?
An vielen Punkten. Im März stellen wir zunächst einmal unser Design von der Website über Plakate, Flyer und Logo um. Alles wird runderneuert und eine Spur frischer und moderner. Man bekommt ja auch viel Feedback. In Helsinki zum Beispiel hat uns ein Norweger einem finnischen Kollegen als »central point of European jazz touring« vorgestellt. Das hat mir zu denken gegeben. Tatsächlich gibt es viele Bands, die in Deutschland nur in der Unterfahrt spielen. Es gibt zu wenig Spielstätten, und da wären durchaus weitere und größere Partnerschaften wünschenswert. Allerdings stoßen wir mit den Strukturen eines Vereins auch an unsere Grenzen. Wir machen nur mit dem Musikprogramm über eine Million Euro Jahresumsatz mittlerweile, das Ganze ehrenamtlich. Da sind die Möglichkeiten der eigenen Präsenz eingeschränkt.

Was ist nun für das Jubiläum geplant?
Da ist eine Menge los, von Hadar Norberg mit Chano Dominguez, also Flöte und Flamenco Klavier, über Oregon, China Moses, Dauner & Dauner, Münchner wie LBT und die Jazzrausch Big Band, Newcomer wie den Saxofonisten Jakob Manz bis hin zum Abschlussabend mit Myra Melford einerseits und Klaus Doldinger auf der anderen Seite.

Klaus Doldinger reiht sich auch in die Gratulanten ein?
Er ist ja eigentlich schuld an meiner Begeisterung für Jazz. Ich habe mit 16 in Oberammergau angefangen, Konzerte zu veranstalten. Die ersten beiden waren mit Wolfgang Schmid, das dritte dann Passport mit über tausend Besuchern. Mein Vater musste damals die Verträge unterschreiben, hat er brav gemacht, und so ging es für mich irgendwie los. ||

CELEBRATION FORTY YEARS OF FINEST JAZZ
Jazzclub Unterfahrt im Einstein| 15.–18. März| ab 19 Uhr | Tickets: 089 4482794

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