Ghostpoet ist ein Souverän der Spoken Words – London Vibes im Feierwerk.
Ohne den Vergleich überstrapazieren zu wollen, erinnert die Stimme des in London aufgewachsenen Nigerianer Obaro Ejimiwe alias Ghostpoet auch an die US-amerikanische Spoken Word-Legende Gil Scott-Heron, zumindest wenn man dessen Spätwerk zum Maßstab setzt, in dem der Lyrikmeister der Soulmusik seine stilvoll gealterte Stimme geradezu adelnd über seine Musik legte. Nur dass Ghostpoet gerade mal 35 Jahre alt ist. Und doch wohnt seinen fließenden Worten schon jetzt eine Stimmung inne, die seinen unverkennbaren Sound deutlich mehr bestimmt als die Musik, die die Verse umrahmt. Als könne der Sänger sich des Mantels sofort entledigen, ohne nackt zu sein. Denn letztlich wohnt nicht seine Stimme in der Musik, sondern seine Musik in der Stimme. Mit ihr erzählt Ghostpoet mehr, als dass er singt, obwohl sein Vortrag mehr Gesang als Rap ähnelt.
Soul also ist es nicht, Hip-Hop ebenso wenig. Stattdessen klingen auch Anleihen aus einem Alternative Rock an, ohne freilich nun zum Rocksound zu mutieren. Denn obgleich sich Ghostpoet, der auch mal mit der britischen Trip-Hop-Formation Massive Attack zusammenarbeitete, über die Stimme zu definieren scheint, ist es auffällig, wie sehr sich seine verschiedenen Alben auch musikalisch unterscheiden. Die elektronisch dominierten Grime-Reime der Anfangsjahre sind einem nicht minder bedrohlichen Klangkonstrukt gewichen, auf das analoge Instrumente wie Piano oder Gitarre in ansonsten computergenerierter Musik einwirken. Allen Kulturpessimisten zum Trotz salbt hier nicht das analoge Klavier eine digital herbeigeführte Wunde. Vielmehr ist es gerade auch das Piano, das schmerzend ins Fleisch schneidet, Anschlag für Anschlag und untermauert von einer Gitarre, die schon mal an Soundtracks von Ennio Morricone erinnert. Ein finsterer und doch vitaler Wortschmied! Man darf gespannt sein, wie Ghostpoet seine großartigen Klangskulpturen live inszeniert. ||
GHOSTPOET
Feierwerk / Hansa 39 |1. März | 20 Uhr | Tickets: 01806 570070
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