»Joscha und Mischa, diese Zwei« ist noch eine Rarität: ein Bilderbuch mithomosexuellen Protagonisten.
Bären gibt es ja viele in der Kinderliteratur. Aber dass die Hauptfiguren schwul sind, ist bislang ein Ausnahmefall. Deshalb haben Hans Gärtner und Christel Kaspar ein Bilderbuch geschrieben und gemalt, das anders ist. Es geht um die Bären Joscha und Mischa. Sie leben in Kukuschkan, einem Ort, der nach weit weg und sehr nach Kuscheln klingt. In Kukuschkan wohnen nur Bären und Bärinnen. Einer sticht heraus, weil er so blond ist: Das ist Joscha. Dann taucht Mischa auf, der ein rotbraunes Fell hat. Beide zusammen sind die bunten Hunde in der graubraunen Bärengemeinschaft. Und weil Fremde sich gegenseitig ja bekanntlich als erste erkennen, tun sie sich zusammen – und werden ein Liebespaar. Das erste schwule Bärenpaar in Kukuschkan. Das bringt die gewohnte Ordnung im Ort sehr ins Wanken. Stellvertretend für die Bärenbürgerschaft gehen der Bärenlehrer, der Bärenfriseur und der Bärenpfarrer zum Bärenbürgermeister, um sich zu beschweren. Einfach nur darüber, dass da zwei sind,die nicht so sind wiealle anderen. Der Bürgermeister lässt die engstirnigen Besserwisser abblitzen. Ist er am Ende selbst so wie Mischa und Joscha?
Das Buch des Professors für Grundschulpädagogik Hans Gärtner und der Malerin Christel Kaspar ist zunächst charmant. Bei näherer Betrachtung kommt man als erwachsener Blätterer jedoch ins Grübeln: An wen richtet sich dieses Bilderbuch? Kleinere Kinder schauen sich vielleicht die Bilder an und sind damit zufrieden. Etwas größere Kinder lassen sich die Texte vorlesen, ohne die Botschaft zu verstehen. Denn für sie gibt es ja noch nichts zu verstehen bzw. zu unterscheiden, welche Liebe richtig oder falsch ist. Und damit wäre die Zielgruppe schon eingekreist: Es sind dann wohl doch die Erwachsenen, denen mittels eines Bilderbuchs der Spiegel vorgehalten wird. Man soll sich nicht wie eindummes Klatschweib und auch nicht wie ein kleingeistiger Stammtischbruder benehmen, lernt man als Leser. Das ist es leider auch, was das Buch ein wenig klebrig macht: der erhobene Zeigefinger, die gute Absicht, die Beflissenheit, der Anstoß zur richtigen Perspektive.
Es stellt sich auch die Frage, ab wann Pluralismus, Diversität und Inklusion gelingen: Ist es der Moment, wo nicht mehr darüber geredet werden muss, wenn zwei männliche oder weibliche Wesen sich lieben? Wenn Behinderte nicht als defizitär wahrgenommen werden? Wenn Hautfarbe keine Rolle spielt? Dann wäre es schön, wenn es bald ein Buch gäbe, das all dies kommentarlos enthält und die kleinen Betrachter und Betrachterinnen solchen Inhalt ganz einfach selbstverständlich finden. Und ihre Eltern auch. Bis dahin müssen sich die Großen noch mit den schlichten Botschaften befassen – vielleicht, weil für sie noch vieles nicht so normal ist, wie man es gern hätte. ||
HANS GÄRTNER (TEXT), CHRISTEL KASPAR (ILLUSTRATIONEN): JOSCHA UND MISCHA, DIESE ZWEI
edition tingeltangel, München 2016 | 24 Seiten
16,90 Euro
Das könnte Sie auch interessieren:
Alexander Gorkow: »Die Kinder hören Pink Floyd«
Zanele Muholi & David Goldblatt im Espace Louis Vuitton
Literaturfest München: Julia Franck & Edgar Selge
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton