metromadrid gewinnt das Passauer Scharfrichterbeil
Depression steht derzeit hoch im Kurs. Und das verbale Durchspielen von Selbstmordideen bringt das Publikum zum Lachen. Zumindest, wenn Thomas Steierer mit dem Künstlernamen metromadrid sie auf der kleinen Bühne des Passauer Scharfrichterhauses erzählt. Stocksteif, mit schicker Föhnfrisur, das Mikro waagrecht vor dem Mund, sodass es das halbe Gesicht verdeckt, bekennt er: »Eine Frau hat mir mal gesagt, ich würde sie erden. Kein Wunder, ich bin am Boden.« Ein Loser, der sich sein Ende herbeifantasiert: Wenn er mal zum Zug käme, käme der Zug zu ihm, er hielte endlich mal eine Deadline ein und läge langfristig richtig. Dass er noch lebt, verdankt er dem Wort immerhin. Denn jedes Konstatieren seiner Versagen wird nach einer wohlplatzierten Pause abgefedert durch ein … immerhin …, das ihn auf neue Pfade bringt.
Dieser schwarze Humor, mit intelligenten Wortspielen gespickt, brachte dem absoluten Newcomer beim 35. Wettbewerb um das Passauer Scharfrichterbeil den ersten Preis ein. Nicht nur bei der Jury, sondern auch beim Publikum, dessen Mehrheitsvotum als eine Stimme zählt. Mit dem brusthohen, scharfen Henkersbeil könnte der Münchner Journalist seinen Suizid-Visionen eine weitere hinzufügen. Der schlagfertige Kommentar des Gewinners: Herzliches Beileid. Thomas Steierers erstes abendfüllendes Programm heißt »Der urbane Dorfdepp«. Es wird sicher nicht lang dauern, bis man es in München sehen kann.
Das mittlere Beil konnte David Scheid mit nach Wien nehmen: Der DJ und Kabarettist verblüfft in seinem Programm »Remix« mit ökologischen Berechnungen aus dem Sanitärbereich. Um einen getrunkenen Liter des teuer gekauften Mineralwassers wieder loszuwerden, spülen wir 14 Liter des guten Trinkwassers hinunter. Auf seinem DJ-Pult lässt er live ein vielstimmiges Vogelkonzert erklingen und entlarvt eine Landlermelodie als umrhythmisierten Handy-Klingelton.
Absolut kein Newcomer mehr ist der Gewinner des kleinen Beils: Der Stuttgarter Thomas Schreckenberger hat in Baden-Württemberg schon mehrere Preise eingefahren. Nur in Bayern ist er nie richtig angekommen. Er vertritt das klassische politische Wortkabarett, analytisch, pointiert, bissig. Mit kleinen Ausflügen in surreale Theaterwelten: Wie würde Merkel bei Verhandlungen reagieren, wenn plötzlich der Geist von Klaus Kinski in sie führe?
Die anderen drei Finalisten mussten sich begnügen mit der Ehre, unter 65 Bewerbern immerhin in die Endrunde gelangt zu sein. Lisa Koz, die auf dem undankbaren vierten Platz landete, bekam immerhin ein Trostpflaster von den Zuschauern: Die wählten sie auf Platz 2. Die junge Kabarettistin und Musikerin kam mit 15 Jahren aus Russland nach Deutschland und fragt sich immer noch: »Was glaub’ ich, wer ich bin?« Sie spielt raffiniert mit nationalen Frauen-Klischees, mit russisch gefärbter Aussprache (samt depressiver Miene) und akzentfreiem Deutsch (mit Strahlelächeln). Und weil der erste deutsche Freund Ahmed hieß, ist eine Türkin dritter Teil ihrer multiplen Persönlichkeit, die gerne zu dritt mit sich selbst ausgeht. Da dürfen die Deutsche und die Russin trinken, und die Türkin fährt sie nach Hause. Auch das ist Völkerverständigung.
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