Heißer als im Juli: »Sommerhäuser« von Sonja Maria Kröner

Die Familie entspannt sich im gemeinsamen Garten. (v.l.n.r.: Thomas Loibl, Laura Tonke, Günther Maria Halmer, Christine Schorn, Ursula Werner)

Am Anfang kracht es, ein Blitz schlägt ein, ein Baum fällt um. Am Ende kracht es wieder, mit Folgen, die im Ungewissen bleiben. Dazwischen ist es Sommer. Sonja Maria Kröners Debütfilm hat beim diesjährigen Münchner Filmfest für Aufsehen gesorgt, und das ganz zu Recht: Der Film ist leise, ohne betulich zu sein. Er erzählt mehrere Geschichten, ohne sich zu verzetteln. Er ist nicht eitel, dafür sehr genau. Er ist nicht plump, sondern fordert vom Zuschauer durchaus eine Portion Kombinationsvermögen. Aber es ist nicht schwer, dem Film auf den Fersen zu bleiben. Je nach Alter wird man sich an die heißen Sommer erinnern, mit Franz Josef Strauß und den Wahlplakaten und den sommerlichen Mordfällen in der Bildzeitung und den Landstraßen ohne SUVs, oder man sitzt da und staunt, wie die Welt vor nicht allzu langer Zeit ausgesehen hat. Die Requisite feiert keine Orgie, aber sie ist sehr präzise, vom Geschirr über die Vasen bis zur Kleidung und den Möbeln.

In diesen Sommern heizte sich die Atmosphäre erst auf, um sich dann irgendwann mächtig zu entladen. Die Uroma ist gestorben, der Baum kippt um, die Familie kommt zusammen, und wie es bei allen Familien eben so ist: Sie sind mehr oder weniger schrecklich, jeder einzeln und alle zusammen erst recht. Die Wespen sind eine Pest, aber sie sorgen dafür, dass einträchtiger Schwung in die Bude kommt, wenn man sich schon nicht einigen kann, was jetzt mit dem Grundstück draußen vor den südlichen Toren Münchens passieren soll, 1976, wo man zum Telefonieren noch in die gelbe Zelle vor der Einfahrt gehen musste, wollte man Kontakt zur Außenwelt aufnehmen. Erstaunlich an diesem Film ist die Stille, die einem zunehmend in den Ohren dröhnt: Der Sommer ist laut genug mit seinem Wespengesumm, mit dem Rasenmäher, dem Geratsche und Geschnatter am Kaffeetisch (solche Kuchen macht heute auch keiner mehr, leider). Keine Filmmusik, kein Soundtrack, der die Atmosphäre kittet, falls die Schauspieler es nicht schaffen, die Spannung zu halten.

Aber die Figuren sind durchgehend brillant besetzt, die bühnenerfahrenen Darsteller intensiv und gleichzeitig zurückhaltend: Ursula Werner, die wir im letzten Herbst in Karen Breeces »Don‘t forget to die« auf der HochX-Bühne in München bewundert haben, gibt die herbstzeitlose Oma mit doppeltem Boden und leiser Melancholie. Laura Tonke, die man als Gob Squad-Performerin liebt, ist die durchaus nette Schwiegertochter, bis ihr der Kragen platzt, und Thomas Loibl (Residenztheater) ihr gut gelaunter Mann Bernd, ein großer Bub, der alles nicht so streng seht. Mavie Hörbiger als Bernds Schwester Gitti ist eine Schwabinger Prinzessin, die mit ihrem Leben nicht zurecht kommt, aber dabei immer zumindest ansatzweise todschick aus dem Rahmen fällt. Großartig sind auch die Kinder, allen voran Evas und Bernds jüngere Tochter, die ein intelligentes Biest wie aus dem Bilderbuch spielt. Sonja Maria Kröner gelingt es, den Zuschauer dazu zu verleiten, selbst alles mögliche zu vermuten: Das erinnert an David Lynch, an den Effekt, der einen Grausiges im hohen Gras erwarten lässt, auf dem Nachbargrundstück, wo der kauzige Flachs seine Bäume und Sträucher auf bizarre Weise dekoriert. Die langsamen Kamerafahrten sind nicht affektiert, sondern zeichnen die Kinderblicke nach, denn Jana, Lorenz und Inga, die Kinder von Eva, Bernd und Gitti, gehen da gern hinüber und schauen. Sie schauen auch die Erwachsenen an, die komisch sind, und wundern sich. Der Film braucht keine Musik, außer einer Bobby-Solo-Platte, die in der letzten intakten Sommernacht über den Plattenspieler eiert. Bis Gittis Tochter aufs Baumhaus klettert. Bis es kracht.

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