Ein Kraftwerk und viele Realitäten – Mathis Nitschke inszeniert sein Opernprojekt MAYA.

Mathis Nitschke| © Astrid Ackermann

Im Westen Münchens befindet sich eine morbide Kathedrale des Industriezeitalters: Das ehemalige Heizkraftwerk Aubing ist eine gewaltige Ruine von 45 Metern Breite und 25 Metern Höhe, ausgestattet mit prächtigen Fensterwänden und drei riesigen mit Graffiti verzierten Hochöfen – Zeugen der Technopartys in den 1990er Jahren, welche die musiktheatralen Energien der Anlage zu nutzen wussten. Auch der Architekt Peter Haimerl erkannte die Potenziale und plante 2015 den Umbau der Halle zu einem Konzertsaal, während die Münchner Philharmoniker die atmosphärische Anlage als Off-Location ins Auge fassten. Aber erst Mathis Nitschke setzt nun das Vorhaben an vier Oktobertagen zumindest temporär um.

Der Münchner Komponist und Sounddesigner nähert sich dem Raum »minimalinvasiv«, das heißt, er greift möglichst wenig verändernd in die originale Szenerie ein, sondern nutzt das morbid-industrielle Ambiente vielmehr als Kulisse seiner Mixed-Reality-Techno-Oper »MAYA«: »In der Mitte der Haupthalle sehen Sie die Überreste dreier gigantischer Maschinen (die graffitiverzierten Hochöfen) aus dem 3. Jahrtausend nach Christi. Unsere Vorfahren nutzten sie zum Speichern ihres Bewusstseins, das ihnen nach dem Tod die Erlösung im digitalen Paradies bescherte. 2050 wurde diese Zivilisation durch eine globale Katastrophe ausgelöscht. Spuren deuten auf eine zielgerichtete Reaktion der Avatare: Die Legende besagt, dass eine Auserwählte namens Maya mithilfe ihres rückgeführten Bewusstseins in einem wiederbelebten Körper eine neue Menschheit erschaffen sollte.«

Die Aubinger Ruine wird in Nitsches »postutopischer Vision« ein »Tor zum digitalen Paradies«, einem virtuellen Leben ohne Erwerbsarbeit, gesellschaftliche Zwänge, Krankheiten oder körperliche Einschränkungen. Diese Utopie setzt Mathis Nitschke mit einer Melange musikalischer Mittel und Techniken um, indem er in seiner Mixed-Reality-Techno-Oper realen und elektronisch erzeugten Klangraum in einen Dialog treten lässt. Mittels einer App können die Zuschauer rätselhafte Spuren einer untergegangenen Zivilisation auf ihren Bildschirmen entdecken, welche die reale Umgebung des alten Heizkraftwerks virtuell ergänzen. Lichtdesign schafft Skulpturen im Raum, während musikalisch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufeinandertreffen. Instrumentalmusik von Domenico Gabrielli und Steve Reich werden durch eine Originalkomposition Klaus-Peter Weranis sowie die elektronischen Klanglandschaften Mathis Nitschkes kontrastiert, der mit dieser multimedialen Ausstattung das Selbstverständnis der Gattung Oper als audiovisuelles Gesamtkunstwerk in die Gegenwart hebt: »›MAYA‹verbindet Oper und Techno. Beides steht für ein kraftvolles Sich-Auflehnen: Gegen den Tod. Gegen die Einsamkeit. Für ein Leben ohne Limits. Für die Verheißung einer Welt, in der wir nach unseren kühnsten Vorstellungen leben, ohne jemals an körperliche Grenzen zu stoßen.« Ein Stück über das Sterben, über Erlösung und Transformation – also das, was Opernstoffe ausmacht: Bewusstseinserweiterung durch Musik, Sound, Licht und digitale Kunst. ||

MAYA – EINE MIXED-REALITYTECHNO-OPER
Heizkraftwerk Aubing| Rupert-Bodner-Str. 5
18.–22. Oktober| 18 Uhr
Tickets: 089 54818181

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