… sind die weiblichen Darstellerinnen beim Fantasy Filmfest. Neben einer gewohnt breiten Horrorfilm-Vielfalt zeigt das Festival, dass sich im Genrekino hartnäckige Rollenmuster auflösen.

Garance Marillier in »Raw«. Zu sehen auf dem Fantasy Filmfest
© Fantasy Filmfest

»Könnt ihr beiden bitte nicht so tun, als wäre ich nicht hier?«, schreit Gloria, als sie es einfach nicht mehr packt. Zwei Typen sitzen mit ihr am Tisch. Der eine ist ihr Ex, der andere sieht sich seit Glorias Rückkehr in die heimatliche Kleinstadt als ihr Boyfriend. Beide sind ihres Zeichens totale Kontrollfreaks, und beide meinen es natürlich nur gut mit Gloria. Warum Männer so oft annehmen, dass Frauen ihrer Rettung bedürfen, ist wahrscheinlich eines der ältesten Rätsel der Kulturgeschichte. Der Film »Colossal« – in diesem Jahr Teil des Programms des Fantasy Filmfests – versucht diese Frage gar nicht erst zu beantworten.

Auch lässt er seine Protagonistin Anne Hathaway deshalb nicht mit inneren Dämonen ringen, denn die hat ihre Seelenqual längst erfolgreich externalisiert – in Form eines godzillagleichen Ungetüms, das analog zu ihrer inneren Pein unfreiwillig die südkoreanische Stadt Seoul in Schutt und Asche legt. Was die Bewohner noch nicht wissen: Das Monster ist eigentlich eine grundgute Seele und wird sie bald schon vor einem wahrhaft boshaften männlichen Riesenroboter (auch besitzergreifend) bewahren. »Colossal« ist ein wunderbarer Genrespaß, dessen Einfallsgabe (Regie: Nacho Vigalondo) und subtiler Witz besonders im Superheldenkino der Blockbustersparte seinesgleichen sucht.

Ebenso wenig gefallen wie Gloria lässt sich die junge Protagonistin des Schockers »Raw«. Die französisch-belgische Horrorproduktion der Regisseurin Julia Ducournau sorgte bereits bei ihrer Premiere in Cannes für Aufsehen, als bei der Uraufführung reihenweise Zuschauer aus dem Kinosaal stürmten. Anhänger des guten Geschmacks stießen sich dabei vor allem an den expliziten Darstellungen von Kannibalismus, dessen sich Ducournaus jugendliche Protagonistin schuldig macht. Zugegeben, »Raw« besitzt ein paar wirklich unappetitliche Szenen. Viel unappetitlicher sind aber die gesellschaftlichen Zustände normierter Sexualität, gegen die Ducournau ihre Protagonistin rebellieren lässt.

»Raw« und »Colossal« kann man dabei als Pars pro Toto für einen sich im Augenblick grundsätzlich vollziehenden Wandel der Filmproduktion sehen – auch und vor allem im Genrekino. Weibliche Perspektiven gehören darin nicht länger zur Ausnahme, wie es aktuell u.a. die Regisseurinnen Karyn Kusama (»The Invitation«), Jovanka Vuckovic (»The XX«) oder Jennifer Kent (»The Babadook«) vormachen. Dieser Entwicklung trägt das Fantasy Filmfest nicht erst seit dieser Ausgabe und zum Glück einmal mehr ohne belehrenden Duktus Rechnung. Auch die Festivalbeiträge »Bitch«, »The Autopsy of Jane Doe« und im weitesten Sinne die schräge Farce »68 Kill« eröffnen diese Perspektiven, in einem Jahrgang, in dem natürlich auch klassischer Creature-Horror wie im Haifilm »47 Metres Down«, Gruselschock wie im Eröffnungsfilm des Horrorclowns »It« und blutige Actionspektakel aus Fernost wie »Shockwave« oder der koreanische Abschlussfilm »The Villainess« zu sehen sein werden. ||

FANTASY FILMFEST
6.–16. September| vollständiges Programm und Spielzeiten

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