Hip-Hop kann finster sein. Die Rapperin Moor Mother zeigt, wie abgrundtief dunkel.
Diese Seite des Hip-Hop war bisher sicher auch vielen seiner Anhänger nicht bekannt. Die düstere, bedrohliche, ganz und gar nicht konsumierbare Seite. Die Rapperin Moor Mother aus Philadelphia bringt sie jetzt nach München. Ihre Musik kann man getrost mit dem Wort »postapokalyptisch« zusammenfassen, wummernde Krachkulissen, die eigentlich von Industrial-Pionieren wie Throbbing Gristle bekannt sind. Darüber paranoisch gepresster Sprechgesang wie aus jenseitigen Sphären. Selbst bezeichnet sie ihr Werk mit Genreneuschöpfungen wie »Witch Rap«, »Chill Step« oder »Blk Girl Blues«. Das Ganze ist aber mehr als eine bloße Geisterbahnfahrt. Moor Mother (geb. Canae Ayewa) zeichnet in ihren Songs ein eindringliches Bild der afroamerikanischen Identität. Die durchweg politisch gefärbten Texte befassen sich nicht nur mit dem gegenwärtigen Rassismus in den USA, sondern ziehen Parallelen zur Geschichte, streuen Salz in seit Jahrhunderte klaffende Wunden. Sicher machen das einige Rapper. Aber mit einem so konsequenten Schlag ins Gesicht, ohne Rücksicht auf Tanz- und Hörbarkeit passiert das selten.
Und trotzdem steht Moor Mother nicht allein da. Insbesondere in den letzten Jahren zeigten die Veröffentlichungen von Künstlern wie Danny Brown, Death Grips oder Lil Ugly Mane die surreale, beängstigende und abgedrehte Seite des Genres. Stilrichtungen wie Experimental Hip-Hop, Industrial Hip-Hop oder Cloud Rap haben ihren festen Platz in der Szene. Und auch ein Mainstreamkünstler wie Kanye West schlug der Öffentlichkeit 2013 eine bizarre Monsterplatte mit dem Titel »Yeezus« um die Ohren. Sicher, experimenteller Rap existiert schon länger, aber die derzeitige Fülle an obskurem Material zeigt, dass es sich nicht nur um einen Haufen exzentrischer Außenseiter handelt. Insbesondere sollte man diese Künstler solchen Leuten ans Herz legen, die immer noch dem Irrglauben anhängen, Hip-Hop sei bloß Konservenmusik mit Zuhältertexten. Moor Mother im Milla ist eine gute Gelegenheit, mit solchen Vorurteilen aufzuräumen. Danach erschüttert einen sowieso kaum noch etwas. ||
MOOR MOTHER
Milla| Holzstr. 28 | 10. Aug. | 20.30 Uhr
Tickets: 089 18923101
Das könnte Sie auch interessieren:
Joana Mallwitz: Abschied der Dirigentin von Nürnberg
Münchner Philharmoniker: Die Spielzeit 2021/22
Squaring the Circle: Der neue Film von Anton Corbijn
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton