In seiner Biografie »Ingrid Bergman. Ein Leben« zeichnet der Münchner Filmjournalist Thilo Wydra ein zeitgemäßes Bild der schwedischen Schauspiel-Ikone, die zwar auf der ganzen Welt zu Hause, doch zeitlebens auf der Suche nach sich selbst war.

Herr Wydra, Sie haben es ja mit den schönen Frauen. Nach Biografien zu Romy Schneider und Grace Kelly haben Sie sich nun umfassend mit Ingrid Bergman beschäftigt. Was fasziniert Sie persönlich an dieser GrandeDame?
Ich denke da an einen schönen Satz, den mir Margarethe von Trotta, über die ich ebenfalls ein Buch geschrieben habe, in einer Veranstaltung im Filmmuseum München gesagt hat: »Ich suche mir die Themen und die Stoffe nicht aus, sondern die Themen und die Stoffe suchen mich aus.« Es gibt also Dinge, die mich jahrelang interessieren, die ich mit mir im Stillen he rumtrage und bei denen man oft noch gar nicht weiß, ob da jemals etwas dazu entsteht. Im Falle von Ingrid Bergman war es aber in der Tat eine konkrete Anfrage des Verlags.

Für Ihre Arbeit haben Sie Zugang zum berühmten Ingrid-Bergman-Archiv in der Wesleyan University in Middletown, Connecticut erhalten. Wie haben Sie das geschafft? Schließlich waren die drei Bergman-Töchter zuerst nicht besonders angetan von Ihrem Vorhaben.
Anfangs war es fast genauso schwierig wie mit der Grimaldi-Familie in Monaco für mein Grace-Kelly-Buch. Denn so gut wie alle Bergman-Kinder leben hermetisch abgeschottet: Sie wünschen überhaupt keinen Kontakt zu Journalisten, Biografen oder Autoren. Ich hatte also auch bei ihnen an die Tür geklopft – und es kam mir nur Ablehnung entgegen. Durch das Engagement einiger Münchner Freunde ist es mir dann gelungen, an Liv Ullmann und an Pia Lindström, die älteste Bergman-Tochter,in New York heranzukommen. Beide riefen im Anschluss Isabella Rossellini an. Alles lief später gut zusammen – und inzwischen sind wir miteinander befreundet.

Aber für Biografien braucht man auf jedenFall einen langen Atem, gerade wenn es noch viele Familienmitglieder gibt. Zudem konnten Sie dort exklusiv viele ihrer privaten Foto- und Filmaufnahmen einsehen.
Ingrid Bergman war eine passionierte Hobbyfotografin und hinterließ obendrein zahlreiche Home-Movies. Wo man sie oft als strahlende Mutter sieht, was nicht ganz zu dem damals von ihr kolportierten Bild einer Karrieristin passen mag. Ingrid Bergman war tatsächlich recht selten für ihre Kinder da. Ihre Tochter Pia erzählte mir davon mit Tränen in den Augen: »Wir litten alle darunter, dass sie so oft weg war.« Bei ihr waren es ganze acht Jahre, die sie ihre Mutter, den weiblichen Superstar der 1940er und 1950er Jahre, nicht sehen konnte.

Ingrid Bergman selbst war früh Vollwaise. Bereits mit dreizehn.
Dann wurde sie von Tante zu Tante und Onkel zu Onkel gereicht, die wiederum auch alle der Reihenach wegstarben. Sie hat also schon in den ersten zwanzig Jahren ihres Lebens dem Tod sehr häufig ins Gesicht geblickt. Sie war immer auf der Suche, das hatte bei ihr stets auch etwas Melancholisches. Da war immer etwas Gespaltenes, Zerrissenes.

Eine Zerrissenheit, die auch ein Antrieb sein kann.
Das hat mich bei ihr auch ganz klar an Romy Schneider erinnert: Sie konnte einfach nicht leben, solange das rote Kameralicht nicht an war. Das war ihr Lebenselixier! Obwohl Ingrid Bergman innen wie außen von einer ganz anderen Verfassung war, war das Licht der Kamera genauso ihr großer Lebensantrieb. Sie hat sich zu Tode gelangweilt, wenn sie nicht gearbeitet hat.

Viele sehen in ihr den Prototyp einer emanzipierten Frau.
Eine Feministin war sie sicherlich nicht, sie kannte das Wort nicht einmal, wie mir ihre Tochter Pia in einem Gespräch erklärte. Abersie war auf jeden Fall eine frühe moderne, sehr freie und selbstbewusste, durch und durch emanzipierte Frau: eine mit Vorbildcharakter, weil sie sich vollkommen frei gemacht hat von jeglichen Normen. Mit allen Vorzügen, aber auch Schattenseiten für ihr eigenes Leben. ||

THILO WYDRA: INGRID BERGMAN. EIN LEBEN.
DVA Sachbuch, 2017 | 752 Seiten,
mit Abbildungen | 28 Euro

Das könnte Sie auch interessieren: