Albert Serras »Der Tod von Ludwig XIV.« ist ein Triumph – nicht nur für den Schauspieler Jean-Pierre Léaud.
Da sitzt nun der ausgeblichene Sonnenkönig. Mit der opulenten Perücke sieht er aus wie eine bizarre Karikatur seiner selbst. Sein Hofstaat spendet ihm immer noch Applaus: Er hat es geschafft Eier zu essen. Bravo! Der absolutistische Herrscher in Albert Serras neuem Film »Der Tod von Ludwig XIV.« hat all seinen Glanz verloren, ist nur noch ein alter Mann in seinen letzten Zügen, dessen Bein vom Wundbrand zerfressen wird.
Große Gesten und Tragik braucht man nun allerdings nicht zu erwarten. Der Film wirkt in seiner Machart eher wie ein nüchterner Tatsachenbericht – wenn auch in der denkbar schönsten Form. Tatsächlich orientiert sich Albert Serra an den historischen Dokumenten des Schriftstellers Saint-Simon, der am Hof Ludwig XIV. lebte. Gefühlte 80 Prozent der Handlung spielen im Schlafzimmer des todkranken Königs. Der Zuschauer verliert zunehmend das Gefühl, im Kino zu sitzen. Vielmehr meint man, wirklich mit am Bett zu stehen, so sehr fesselt die Kammerspielatmosphäre.Bevor der Zuschauernunaber aus dem Kinosessel aufsteht und sich verneigt, macht ihm die großartige Optik wieder klar, dass er eben nur in einem Film sitzt. »Der Tod von Ludwig XIV.« wirkt mit seinen Farben und seiner Belichtung selbst wie ein Barockgemälde, an dem man sich nicht sattsehen kann. Diese Mischung aus Experiment und Authentizität erzeugt eine seltsame und zugleich anziehende Stimmung, die man so im Kino schon lange nicht mehr gesehen hat.
Das Ganze wird gekrönt von Jean-Pierre Léauds Schauspielleistung. Bekannt wurde er 1959 in der Rolle des 14-jährigen Antoine in François Truffauts »Sie küssten und sie schlugen ihn«, danach war er vor allem als revolutionärer Springinsfeld in den Filmen der Novelle Vague unterwegs. Als Ludwig XIV.
hinterlässt er sicher einen der bleibendsten Eindrücke seiner Karriere. Und das, obwohl er eigentlich nicht viel tut, die meiste Zeit liegt er. Auch hält er keine große Abschiedsrede. Am intensivsten wird es dann, wenn er nichts sagt. Das Zucken der Wangen, der starre klagende Blick, der mehr von Schmerz,
Verlust und Zerfall erzählt als jeder Monolog – Léaud zu beobachten ist ein Ereignis an sich. Sofort fühlen wir uns in diesen Greis hinein, an dem die Zeit, die er geprägt hat, nur noch vorbeifließt. Trotzdem ist er noch der Sonnenkönig, der, auch als er schweißge badet aufwacht, sein Wasser im Kristallglas verlangt.
Und natürlich ist er noch die Sonne, um die sich der ganze Hof dreht. Ein Stab an Ärzten, Dienern und Beratern wuselt um ihn herum, sieht in jeder noch so kleinen Geste ein Zeichen der Besserung. Trotzdem beschließt man, einen Quacksalber einzuladen, der dem König widerliches Gebräu verabreicht und Weisheiten wie »Pocken sind wie Rosen, die im Frühling blühen und glücklich sind« zu bieten hat. Auch hier spricht Léauds Mimik wieder Bände. »Der Tod von Ludwig XIV.« ist ein Meisterwerk. Wenn Léaud den leidgeprüften Blick gen Kamera lenktund dazu Mozarts Große Messe in c-Moll erklingt, versteht man wieder den Wert des Kinos. ||
DER TOD VON LUDWIG XIV.
Spanien, Frankreich 2016 | Regie: Albert Serra
Mit: Jean-Pierre Léaud, Patrick d’Assumçao u. a.
115 Minuten | Kinostart: 29. Juni
Trailer
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