Jeff Nichols erzählt die Geschichte des Ehepaars Loving im gleichnamigen Film.
Die Lovings sind ein schweigsames Paar. Sie müssen nicht viel sprechen, denn winzigeGesten sagen oft mehr. Etwa wenn Richard beim gemeinsamen Fernsehen den Kopf auf den Schoß seiner Frau Mildred legt, um es sich gemütlich zu machen. Oder wenn sie ihm beim Verlassen des Zimmers noch einen letzten wohlwollenden Blick zuwirft. Sie sind genügsam und wollen kein großes Aufhebens um sich machen.
Jeff Nichols setzt mit dieser Zurückhaltung den Grundton für seinen Film »Loving«. Er kommt ohne Melodram oder lange Dialoge aus, beobachtet seine Figuren lieber dabei, wie sie ihr Leben leben. Dass
ihnen dabei das Gesetz in die Quere kommt, ist ein Problem, wird sich aber irgendwie lösen lassen. Richard ist Handwerker und geht das pragmatisch an. Wenn die Ehe zwischen Weißen und Afroamerikanern Mitte der sechziger Jahre in ihrem Heimatstaat Virginia unter Strafe steht, wird zum Heiraten eben nach Washington D.C. gefahren, ganz einfach. Doch es folgt eine Odyssee aus Gefängnisaufenthalten und Gerichtsverfahren, die Lovings müssen zwischenzeitlich ins Exil und kämpfen dafür, wieder in ihre Heimatstadt zurückkehren zu dürfen.
Die Ausdauer des Paares angesichts des jahrelangen Kampfes liegt in ihrer Vertrautheit begründet. Zwar scheint Richard Loving sich immer wegzuducken. Den Kopf linkisch zwischen die Schultern geklemmt, blickt er das Gegenüber zugleich fragend und furchtsam an, als wolle er lieber verschwinden. Doch er ist ein aufrechter Mann. Was er zu sagen hat, formuliert er knapp. Dann ist er jedoch bestimmt und hält sein Wort. Joel Edgerton spielt ihn als grobschlächtigen, aber rechtschaffenen Mann, der sich nicht viel mit Gefühlsduseleien aufhält, sondern die Liebe zu seiner Frau in vermeintlichen Alltäglichkeiten ausdrückt. Ja, er macht seinem Nachnamen alle Ehre, aber eben auf die unscheinbarste, weil uneitelste Weise. Beinahe unbemerkt und von sämtlichen Preisen übersehen ist Joel Edgerton hier die beste Leistung seiner Karriere gelungen. Fast magisch hängt die Zuneigung zwischen den beiden in der Luft. Dies ist allein dem wunderbaren und fein nuancierten Spiel der Hauptdarsteller Ruth Negga und Joel Edgerton zuzuschreiben. Mit leiser Zurückhaltung, aber immer neugierigem Blick spielt Ruth Negga Mildred und verleiht ihr eine freundliche Aufgeschlossenheit, die ein unsichtbares Gegengewichtzu Richards fast abwehrender Menschenscheu gibt.
Jeff Nichols gelingt mit »Loving« das Kunststück, ein Biopic nicht mit Pathos aufzuladen, sondern nah an seinen Figuren zu bleiben und sie wieder vom Monument des Widerstands zu dem zu machen, was sie selbst in sich sahen: ein normales Liebespaar. ||
LOVING
USA 2016 | Regie und Drehbuch: Jeff Nichols
Mit: Ruth Negga, Joel Edgerton u. a.
124 Minuten | Kinostart: 15. Juni
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