Sankar Venkateswaran führt in »Indika« mit dem Volkstheater-Ensemble durch ein folgenreiches Kapitel der indischen Geschichte.

»Indika« macht ratlos: Magdalena Wiedenhofer und Ensemble | © Arno Declair

Er gilt als einer der größten Herrscher Indiens. Mit Hilfe seines Beraters Chanakya, dessen politisches Lehrbuch »Arthashastra« oft mit Machiavellis »Il Principe« verglichen wurde, errichtete Chandragupta ein gewaltiges Imperium mit einer zentralistischen Administration. Der Begründer der Maurya-Dynastie stürzte den letzten Nanda-König und schuf das erste indische Großreich. Für Anhänger der Hindutva verkörpert Chandragupta, der Held von Bollywoodfilmen und TV-Serien, Indiens glorreiche Vergangenheit und eine kriegerische Maskulinität, die sie gern widerdas demütigende Spukbild des passiven, effeminierten Hindu-Mannes beschwören.

Heldenverherrlichung ist bei Sankar Venkateswaran natürlich nicht zu erwarten. In seiner Inszenierung ist Chandragupta nur eine Spielfigur auf dem Schachbrett der Machtpolitik. »Du bist nicht von Bedeutung«, erklärt ihm Chanakya, der die entscheidenden Züge ausheckt. Bei einem Treffen mit Alexander dem Großen und dem Feldherrn Seleukos arrangiert Chanakya eine Ehe zwischen Chandragupta und Seleukos’ Tochter Helena. Seleukos tritt die Gebiete westlich des Indus ab und erhält dafür 500 Kriegselefanten. Als weibliche Gegenstimme fügt Venkateswaran eine Frauenfigurein.Für Magadha, die den Namen des Ursprungsgebiets des Buddhismus trägt, ist der Preis für Chanakyas Vision von »Wachstum« und »Fortschritt« zu hoch.

Wie schon in seiner ersten Regiearbeit am Volkstheater, »Tage der Dunkelheit« (zum »Mahabharata«), setzt Venkateswaran vor allem auf die Sprache des Körpers. Im Prolog legen sich die Akteure in einem Holzquader, vor dem Pascal Fligg wechselweise vorwärts und rückwärts zählt, zeitlupenhaft auf den
Boden und richten sich wieder auf. Zunehmend schneller wird der Wechsel, bis sie nur mehr keuchend auffahren und niederstürzen. Was wie eine Übung in Konzentration beginnt, mündet in die atemlose Hektik der Moderne. Immer wieder schreiten die Spieler, die bis auf Pascal Fligg als Chanakya beständig die Rollen wechseln, trancehaft langsam über die Bühne, mal begleitet von Klanggewittern der Chinesin Lin Wang, mal in völliger Stille. Doch der faszinierende Sog, der in »Tage der Dunkelheit« entstand, stellt sich leider nicht ein. Venkateswaran bettet in »Indika« Fortschrittsskepsis und Kapitalismuskritik in ein Kapitel der indischen Geschichte ein. In die muss er die deutschen Zuschauer erst einmal im Schnelldurchlauf einführen. Die historischen Kurzlektionen aber können unseren Mangel an kulturellem Wissen nicht ersetzen, ohne das einem sein skizzenhaftes Porträt Chandraguptas wenig erzählt.

Unmissverständlich klar ist nur die ziemlich schlichte Botschaft des Abends. Auf dem Höhepunkt von Chandraguptas Macht regnet es Münzen, die klirrend auf ihn herabprasseln. Bald darauf sucht eine verheerende Dürre das Reich heim, die den Fluss austrocknet. In zorniger Empörung erklärt Magadha am Ende Chanakyas Ideologie und der Regentschaft des Geldes den »ewigen Kampf«. Auch wenn Venkateswaran einige eindringliche Bilder glücken, vieles bleibt zu bruchstückhaft, zu nebulös und vage in seiner interkulturellen Inszenierung, die zwischen Simplifizierungen im Dienste des Verständnisses und einem pantomimischen Bewegungstheater changiert, das kaum etwas erhellt und einen ratlos zurücklässt. ||

INDIKA
Volkstheater| 6. Juni, 12. Juli | 19.30 Uhr
24. Juni, 2. Juli| 20 Uhr | Tickets 089 5234655

Das könnte Sie auch interessieren: