Blumenkinder waren gestern. Das Gärtnerplatztheater deutet die Rockoper »Jesus Christ Superstar« politisch.
Keine Anklänge an das schräge »Halleluja« des berühmten Münchners im Himmel. Denn in »Jesus Christ Superstar« wird ohnehin »Hosianna« gesungen – und es warten in der neuenInszenierung des Gärtnerplatztheaters wohl noch andere Überraschungen. Zwar hat Intendant und Regisseur Joseph E. Köpplinger bei seiner ersten Begegnung mit dem Werk in seiner Jugend auch erst einmal gegroovt. Doch über die Jahre und seine Inszenierung am Theater Regensburg hinaus sieht Köpplinger das Werk längst nicht mehr als Rockmusical der Flower-Power-Zeit, sondern ganz klar als »eine epische Erzählform – Andrew Lloyd-Webber und Tim Rice haben gezielt eine Rockoper geschaffen, daher die große Orchesterfassung unter Jeff Frohner, daher die Mischform der Stimmlagen, komplett mit Chor«. Angesichts unserer säkularisierten Gesellschaftskultur betont er: »Inmitten von Gier und Geld seh’ ich den human-politischen Kern des Werkes.«
So kommt sein Bühnen-Jesus in der Reithalle in ein »fantastisches Heute«. Anja Lichteneggers Kostüme zeigen Figuren aus Clubs oder »Szene« oder auch Gangs. Denn Köpplinger findet alles biblische Personal auch in unserer Zeit: Die Priester um Kaiphas stehen für die Kaste der Politiker. Herodes und seine Entourage ähneln der Bussi-Bussi-Gesellschaft, der Schein vor Sein geht, aber eben auch gepaart mit Macht, und die römischen Besatzer stehen für jede Soldateska. All dem gegenüber tritt dann dieser eine Andere auf, der Gutes tut. Wie in jeder Religion finden sich in seiner Gruppe die fundamentalistischen Zeloten, die Sanften, die Mutigen und die Feigen und die Verleugner. Doch da die Jesus-Gruppe zu viel Einfluss gewinnt, spielen sich die genannten Mächte die Bälle zu, bis hin zur Vernichtung des Anführers.
Den Judas charakterisiert Köpplinger als »Schwachen, der sich zunächst dem Stärkeren unterordnet, dann aber angesichts eigener Schwäche in Offensive und Angriff geht – das finden wir doch bis heute: die Eitelkeit größer als die Begabung«. Dazwischen lebt auch Maria Magdalena einen »nicht erfüllten Traum«. Für diese Neudeutung findet Köpplinger den flexiblen Raum der Reithalle ideal. Das Publikum wird in einem großen U um die von Rainer Sinell gestaltete Spielfläche sitzen. In der Mitte eines freien Feldes agieren zunächst zwei Personen. Während Spruchbänder mit den drei Grundfragen »Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wonach suchen wir?« laufen, kommt eine planlos wirkende Menschengruppe, die aus Schwäche, Sympathie und Antipathie heraus einen Anführer bestimmt, dessen beispielhafte Stärke für Köpplinger in seiner kampflosen Hingabe liegt: »Es wird aus all dem heraus auch kein Kreuz geben!«. Ob sich da eventuell Parallelen von Gandhi bis zu Martin Luther King einstellen, wird ab 18. Mai in der Reithalle zu prüfen sein.||
JESUS CHRIST SUPERSTAR
Reithalle | Heßstr. 132 | 18., 20., 23., 24., 26., 27., 29., 30. Mai, 1.–3. Juni| 19.30 Uhr
21. Mai| 18 Uhr | Tickets: 089 21851960
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