Das war Gisela Stein. Das Theatermuseum würdigt die Schauspielerin mit einer großartigen Ausstellung.

Gisela Stein 1975 | © DTM München, Archiv Ilse Buhs

Sie war eine Theaterikone. Doch sie liebte die Einsamkeit und gab keinen Einblick in ihr Privatleben. 2009 starb Gisela Stein mit 74 Jahren. Ihre Tochter Katharina Hinze-Kertész hat der Kuratorin Birgit Pargner den Nachlass zugänglich gemacht. So kann das Theatermuseum in seiner opulenten Hommage an Gisela Stein auch Privates zeigen – ihre Leidenschaft für Handarbeiten, Schmuck, den sie auf der Bühne trug, Kindheitserinnerungen der Tochter. Vor allem verlebendigt die Schau mit vielen Fotos und Videostationen (reichlich Zeit einplanen!) die Schauspielkunst von Gisela Stein. Und ihre unerbittlich radikale Haltung dahinter.

Sie sah sich als Instrument des Dichters, wollte stets das Geheimnis, die Bedeutungsebene »Hinter den Worten« (so der Titel) erkunden. Der Regisseur sollte sie lenken, aber nicht bevormunden. Die Ausstellung und das hervorragende Begleitbuch der Kuratorin Birgit Pargner dokumentieren die Bühnenkarriere von Krefeld (wo sie mit 21 den Schauspieler Wolfgang Hinze heiratete und 1957 Tochter Katharina bekam) 1960 nach Berlin und 1980 nach München. Prägende Lehrmeister fand Gisela Stein in den Regisseuren Erwin Piscator und Hans Lietzau. Besonders das Buch zeigt ihre Entwicklung zu jenem radikalen Berufsernst, für den sie »Theaterextremistin« genannt wurde. Ensembletreu und verantwortungsbewusst begriff sie sich stets als Teil des Organismus Theater.

Als schöne Helena mit goldenen Narben

Die große Tragödie war ihr Feld. Obwohl sie auch eine glänzende Komödiantin war und in Becketts »Glückliche Tage« Winnies Monolog zum einzigartigen Sprachkunstwerk gestaltete. Aber die Klassiker und die alten Griechen machten sie zur Ikone: unvergesslich ihre Atossa in Aischylos’ »Persern« und Euripides’ Hekabe. Alles Inszenierungen von Dieter Dorn, der an den Kammerspielen ab 1980 ihr kongenialer Regisseur wurde. Legendär bis heute ist seine »Iphigenie auf Tauris« 1981: Gisela Steins Iphigenie und Thomas Holtzmann als Thoas saßen sich über die Portalbreite vor dem Eisernen Vorhang gegenüber. Keine Deko, keine Action, nur zwei Schauspieler und ihre Sprache. Deren gläserne Gedankenklarheit eine Gefühlswelt hinter den Worten sichtbar machte.

Fernsehen und Film interessierten Gisela Stein wenig. Ein Lebensfreund blieb der Filmregisseur Georg Brintrup, mit dem sie 1979 »Ich räume auf!« über Else Lasker-Schüler drehte. Ein schwerer Autounfall 1983 kostete sie fast das Leben. Mit härtester Disziplin kämpfte Gisela Stein sich zurück auf die Bühne: Schon ein Jahr später warf sie sich als Luise in Achternbuschs »Mein Herbert« mit Furor in Blumenbeete. Und malte sich als schöne Helena in »Troilus und Cressida« ihre Körpernarben mit Goldfarbe nach, statt sie zu überschminken. Sie hat sich immer das Äußerste abverlangt, psychisch und physisch für jede Rolle ausgebeutet, denn am Ende sollte es »genau und leicht« sein. Dieses Arbeitsethos hat sie auch jungen Kollegen vermittelt – das belegen im Buch 16 Erinnerungen von Schauspielern, Regisseuren, Weggefährten. Sie zeichnen ein facettenreiches Porträt der außergewöhnlichen Künstlerin, die stets die Wahrheit hinter den Worten suchte. ||

HINTER DEN WORTEN – DIE SCHAUSPIELERIN GISELA STEIN
Deutsches Theatermuseum | Galeriestr. 4a
bis 15. Okt.| Di bis So 10 –16 Uhr
Begleitbuch: Birgit Pargner (Hg.): »Hinter den Worten« | Henschel | 240 Seiten | 29,95 Euro

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