Susanne Kennedy stellt »Die Selbstmord-Schwestern« in den Kammerspielen in einen funkelnden Altar.
»Der Tod und die Mädchen« könnte Jeffrey Eugenides Roman »Die Selbstmord-Schwestern« auch heißen. Die fünf Lisbon-Schwestern bringen sich um, und die Jungs aus der Nachbarschaft sammeln aus dem Müll des Hauses Devotionalien wie ihre verfilzten Haare in Bürsten. Als erwachsene Männer blicken sie immer noch fassungslos auf die Vorgänge zurück, gefangen in den Sehnsüchten ihrer Jugend und geradezu religiöser Verehrung der Vorstadtmädchen.
Susanne Kennedy streift in ihrer Theaterinstallation Eugenides’ Geschichte nur sachte. Die bigotten Eltern, die reichlich Anteil am Schicksal der Töchter haben, geschenkt. Die Ödnis, Zwänge und Rituale einer bürgerlichen Vorstadt in den Siebzigern, wen interessiert’s? Gelegentlich blitzt ein Fetzen Inhalt auf, schwebt vorbei wie eine Erinnerung von weit her, so wie der Geruch der Lisbon-Mädchen den Jungs in die Nase steigt, spielt aber nicht wirklich eine Rolle. Eine hübsch sterile Avatarin sagt mit Çi dem Tekes tiefer gelegter Stimme Banalitäten von Timothy Leary auf, dessen LSD-Trips Kennedy anscheinend zum Vorbild für ihren Bildersturm animierten. Leary vertrat die Erkenntnis, dass es auf die Frage nach dem Sinn unseres Bewusstseins keine Antwort gäbe. So verzichtet Kennedy auf Interpretationen, warum die fünf schönen Schwestern in den Tod gingen, und bereitet ihnen ein Begräbnis nach dem 49-Tage-Ritus des tibetanischen Totenbuches.
So bunt die Farben, so glitzernd die Lichter, so wirbelnd die Bilder. Theresa Vergho hat einen Altar auf die Bühne der Kammer 1 gebaut, der blinkt wie ein Spielautomat, der funkelt wie ein Flipper – eine knallbunte Wundermaschine wie ein Portal zu einer Spielhalle in Las Vegas oder einem Rummelplatz. Bestückt mit Bildern à la Frida Kahlo, Plastikblumenarrangements und den Insignien der amerikanischen Jugend – Coca-Cola und Donuts – könnte er auch ein asiatischer Hausaltar sein. Nur die Räucherstäbchen fehlen.
Dafür blicken uns puppenhafte Figuren mit Manga-Mädchen-Augen an, in jungfräulich weißen Kleidern mit folkloristischem Kopfschmuck, der Elemente mexikanischer Toten- und tibetanischer Götterfiguren in sich vereint. Aus den vier Totenpuppen (Walter Hess, Hassan Akkouch, Damian Rebgetz und Christian Löber) dringen verfremdete Stimmen, Syntheziserwummern, aus dem sich menschliches Wimmern kristallisiert und Worte rausbrechen. Sie drehen sich im Kreis und huldigen dem blinkenden Herzen, das ein milde lächelnder, weißhaariger Guru (Ingmar Thilo) präsentiert. Kennedys Markenzeichen, die Hyperstilisierung, die fasziniert, aber auf Dauer auch lähmt, hier hat sie möglicherweise zu ihrer Bestimmung gefunden. Nämlich nichts zu erzählen. Hier wird einfach nur gehuldigt, in unzähligen flackernden Bildern der Mädchenhaftigkeit ein Altar errichtet. ||
THE VIRGIN SUICIDES
Kammer 1 | 12., 17., 25. Mai | 20 Uhr | Tickets 089 23396600
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