Filmfestival trifft Kunstausstellung: Kino der Kunst lotet in seiner dritten Ausgabe unter anderem die Wirkungsmöglichkeiten der Medienkunst aus.
»Realität liegt heute im Zuständigkeitsbereich des Fernsehens. Und das ist gut so. Hier liegt die Chance des Films.« Diese Überlegungen stammen von François Truffaut, einem überzeugten TV-Gegner, geäußert in den 1970ern – und trotzdem sind sie erstaunlich aktuell, geradezu herausfordernd. Nicht nur, was den allgegenwärtigen Boom des seriellen Erzählens betrifft, sondern umso mehr auch in puncto Fake-News, Embedded Journalism, massenhafter Videoüberwachung und Datenspionage. Die einstmals überhöhte, verfremdete oder schlichtweg erdachte Wirklichkeit im Kinosessel ist längst schon nicht mehr so einfach von der auf Authentizität hin schielenden oder gar manipulativen Realität in den modernen, zudem häufig crossmedialen Bewegtbildmedien (z.B. Fernsehen, Internet, Blogs, private Channels etc.) zu trennen.
Was im Grunde fiktional und was wiederum tatsächlich authentisch ist, was darin Medienkunst aktuell leisten kann und wie vorwiegend bildende Künstler in diesem komplexen Setting arbeiten, darauf stürzt sich im Zentrum das dritte »Kino der Kunst«-Festival (19. bis 23. April) in München. Im Spannungsverhältnis zwischen jenen beiden Grundpolen präsentieren Kunstschaffende aus 19 verschiedenen Ländern an fünf Tagen in über 30 Werken ihren ganz eigenen filmischen (Künstler)-Blick auf eine sich rapide verändernde (Medien-)Welt. Darunter befinden sich abendfüllende Filmarbeiten wie das Provinzdrama »Simple Little Lives« von Shoja Azaris, politisch Hochbrisantes wie »Shadow World« von Johan Grimonprez über die internationale Waffenlobby oder Cheng Rans meditativer Monumentalfim »In Course of the Miraculous«.
In der Hommage-Reihe wird dieses Mal Ed Lachman, der »Hexenmeister des Lichts und Alchemist der Farbe« (Todd Haynes) und zugleich ein ehemaliger Malerei-Student, geehrt, der später bei den besten Kameramännern ihrer Zunft (u.a. Sven Nykvist, Robby Müller oder Vittorio Storaro) assistierte. Heute ist er selbst eine der stilprägenden Figuren seines Fachs: Ebenso gewagte wie erfolgreiche Zusammenarbeiten mit Werner Herzog, Dennis Hopper, Ulrich Seidl, Paul Schrader oder Wim Wenders zeigen bis in die Gegenwart hinein seinen ungeheuren künstlerischen Marktwert. In Kooperation mit Kino der Kunst werden zu diesem Anlass in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zahlreiche fotografische Arbeiten sowie einige seiner betörenden Filmstills präsentiert.
Eine weitere Sonderausstellung (»Emissary Forks featuring Thousand Islands«) ist dem in New York lebenden Ian Cheng, dem Gewinner des diesjährigen Louis-Vuitton-Preises für das filmische Gesamtwerk, gewidmet. Daneben wird zum ersten Mal unter dem Motto »Digitalität, Virtualität, Immersion. Chancen und Herausforderung für Medienkunst« in der Kunsthalle München ein Fach-Symposium veranstaltet. In Kombination mit den bewährten Künstlergesprächen (u.a. mit Cheng Ran, Nina Hoss, Ed Lachman und Julian Rosefeldt), dem renommierten Projektpitchtag in der HFF München, einer dreiteiligen Harun-Farocki- Filmnacht zum Thema Arbeit in den Münchner Kammerspielen und einem erneut prall gefüllten Filmprogramm (z.B. mit neuen Arbeiten von Jochen Kuhn, Matthias Härenstam, Shirin Neshat oder Omer Fast), beweist die bayerische Landeshauptstadt ein weiteres Mal, dass der historische Titel »Kunststadt München« alles andere als touristische Folklore ist. Gut so. ||
KINO DER KUNST
19. bis 23. April| vollständiges Film-, Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm
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