Das Festival Freischwimmer 2016/17 bringt Nachwuchsperformer nach München.

Anna Natt will fürs Schönsein leiden
© Piotr Rybkowski

Alle anderthalb Jahre findet in Wien, Zürich, Berlin, Frankfurt und Düsseldorf das Festival
Freischwimmer statt. Und das funktioniert so: Die beteiligten Häuser brut, Gessnerallee, Sophiensäle, Mousonturm und FTT veranstalten einen Open Call in der jeweiligen lokalen Performance-Nachwuchsszene und wählen gemeinsam die Projekte aus. Die Ergebnisse touren dann durch die fünf Städte. An die neunte Freischwimmer-Ausgabe mit dem nicht immer offensichtlichen Thema »Family Affairs« hat sich das hiesige Kulturreferat drangehängt und sie nach München geholt.

Für eine eigene Produktion hat es bei der anscheinend recht kurzfristigen Aktion nicht gereicht. Obwohl: Die Gruppe The Agency hat von der Stadt München für »Perfect Romance« 18 000 Euro Debütförderung erhalten. Das Projekt ist inhaltlich praktisch deckungsgleich mit dem gastierenden »Love Fiction« derselben Gruppe. Nur hatte das bereits letzten Oktober Premiere, lange vor Vergabe der Münchner Fördergelder. Urteilt man nach den dreieinhalb Minuten des Trailers, darf man »Love Fiction« allerdings nur masochistisch veranlagten Sektenfans empfehlen, denen es vor gar keiner noch so dümmlichen Coachingveranstaltung aus inhaltsleeren Worthülsen graut.

In »Leopardenmorde« der Gruppe K.U.R.S.K referiert Timo Krstin mit Liliane Koch recht kathederhaft die Geschichte seines Großvaters – Plantagenbesitzer, Großwildjäger, SS-Massenmörder und nach dem Zweiten Weltkrieg Aktivist der Deutschen Friedensunion! Das birgt historische Reibungspunkte und hat zumindest für die Berliner Sophiensäle zum Skandal gereicht. Sie setzten die Performance ab, weil sie in der Darstellung »deutlich zu geringe« kritische Distanz zum Rassismus der vorgetragenen Texte aus den 20er Jahren witterten. Anna Natt spürt in »dame gothel … it hurts to be beautiful« mal mit güldener Perücke, mal mit Salatkopf und Kräuselbart zu Harfenklängen Rapunzel nach, die in einem Turm aus Konventionen und Benimmregeln eingesperrt ist. Die Binse »Wer schön sein will, muss leiden« illustriert sie mit einem grotesken Prothesentanz und wildem Haareschütteln.

Kuschelig wird es mit Veza María Fernández Ramos und ihren drei Bühnenvätern in »The Father Care Piece Piece oder: Keine Angst, Papa spielt Theater!«. Freundlich klampfend spielen sie mit Fürsorgeverhältnissen und wollen die Rolle des Vaters umdefinieren, weg von patriarchalen Strukturen. Die Gießener Scripted Reality lassen das Publikum die Arbeit machen oder versuchen es zumindest in »Wie wir es wollen«. Grundlage für diese etwas chaotische Performance, in der so einiges durch die Luft fliegt, ist der Skandal um das Platzieren von Arbeitgeberideologien in der TV-Soap »Marienhof«. Schön, dass der Freischwimmer hier angekommen ist und München eine feste Anlaufstelle werden soll, auch wenn die Produktionen nur zum Teil vielversprechend sind. Weniger seltsame Fördermanöver wären noch schöner. ||

FREISCHWIMMER 2016/2017
HochX | Kammerspiele | Pathos Theater | Schwere Reiter
7. bis 11. April| Termine

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