In der Tragikomödie »Die andere Seite der Hoffnung« erzählt Aki Kaurismäki nach einer sechsjährigen Kinopause von der Begegnung eines wunderbar seltsamen Paares und vom ergreifenden Schicksal eines jungen Geflüchteten.
»Sei fröhlich, die Melancholischen schicken sie als Erstes nach Hause.« Diesen Rat erhält Flüchtling Khaled kurz nach seiner Ankunft in Helsinki. Es ist sein vorerst letzter Stopp am vorzeitigen Ende einer entbehrungsreichen Odyssee, die den jungen Mann aus seiner zerbombten Heimatstadt Aleppo in die finnische Hauptstadt geführt hat. Khaled (Sherwan Haji), der es nicht recht schaffen will, den Anschein von Fröhlichkeit zu erwecken, erhält diesen Ratschlag von Mazdak (Simon Hussein al-Bazoon), auch er ist Flüchtling, stammt aus dem Irak und nimmt den Jüngeren unter seine Fittiche.
Auf der Behörde fragt man Khaled: »Wie haben Sie es überhaupt bis hierher geschafft?« »Das ist einfach«, sagt der junge Mann mit dem träumerischen Blick, der sich immerzu nach einem Ort weit entfernt zu sehnen scheint, »keiner wollte mich sehen.« Einen Wunsch hat Khaled: seine geliebte Schwester Miriam wiederzusehen. In den Wirren der Flucht haben ihre Wege sich getrennt – die beiden sind die einzigen Überlebenden ihrer syrischen Familie. Ob es eine syrische Rakete war, die ihr Zuhause dem Erdboden gleichgemacht hat, eine der Hizbollah-Miliz oder eine der Amerikaner, das vermag Khaled nicht zu sagen. Die finnischen Behörden sind dennoch der Überzeugung, Syrien sei ein sicheres Land, sicher genug, um Khaled dorthin auszuweisen. Der entzieht sich der Polizei und ist erneut auf der Flucht.
Spezialität des Hauses: Pellkartoffeln mit gesalzenen Heringen
Es gibt einen weiteren Flüchtling in Aki Kaurismäkis erstem Spielfilm seit sechs Jahren, einen, der aber aus weniger drängenden Verhältnissen zu entfliehen versucht. Sein Name: Wikström. Die Ehe ist ihm zu viel, die Wodka trinkende Frau, das schmucklose Heim, dieser verdammte trostlose Kaktus auf
dem Küchentisch. Er macht sich aus dem Staub, und Kaurismäki erzählt von dieser Alltagsflucht eines alternden Mannes in gewohnt lakonischer Manier mit einzigartig skurrilem Blick auf das Geschehen. Brillant wird das Ganze, wenn die beiden Erzählstränge sich in Form einer hinreißenden Tragikomödie begegnen, denn Kaurismäki ist ein Meister in der Inszenierung seltsamer Paare. So auch im Fall von Khaled und Wikström. Die hauen sich bei ihrem ersten Aufeinandertreffen erst mal kräftig auf die Schnauze, aber nur, um sich im nächsten Moment schon zu vertragen. Wikström (Sakari Kuosmanen) sucht nämlich tatkräftige Mitarbeiter, denn er hat – weil ihm eine Pokerrunde eine erkleckliche Summe
Euros beschert hat – ein Restaurant übernommen. Dessen Spezialität: Pellkartoffeln mit gesalzenen Heringen – aus der Konservendose, versteht sich.
Khaled findet in dem Laden, bevölkert von einem Kaurismäki-typischen Reigen aus Außenseitern, Unterschlupf, dazu einen niedlichen Hund und endlich auch einen Job. Eines Tages erhält der junge Flüchtling Nachricht von seiner Schwester, und Wikström will alles tun, um die beiden Verbliebenen der ansonsten ausgelöschten Familie zu vereinen. So unwahrscheinlich die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung in sicheren Verhältnissen sein mag, wie die meisten Kaurismäki-Filme hört auch »Auf der anderen Seite der Hoffnung« nicht auf, den Traum aller Davongekommenen weiterzuträumen.||
DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG
Finnland 2016 | Regie: Aki Kaurismäki | Mit: Sherwan Haji, Sakari Kuosmanen, Ilkka Koivula u. a. | 98 Minuten
Kinostart: 30. März
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