Kammerspiele I: Toshiki Okadas gesellschaftliches Anliegen in »No Theater« bleibt blass.

Ein Tourist (Thomas Hauser, l.), ein Musiker (Kazuhisa Uchihashi) und
ein Geist (Jelena Kuli´c) treffen sich in der U-Bahn | © Julian Baumann

Geister sind es, die den japanischen Regisseur Toshiki Okada fesseln. Und die kommen im »No Theater« reichlich vor, nicht nur in der Inszenierung an den Kammerspielen, sondern überhaupt in der
gleichnamigen traditionellen japanischen Theaterform, die strengen Regeln unterliegt und mit Masken arbeitet. Masken gibt es keine in Okadas No-Variation, an die formalen Regeln hält er sich aber. Er verknüpft zwei Stücke, »Roppongi«, und »Tocho-mae« (beides U-Bahn-Stationen in Tokio und somit
Orte des Übergangs, also gut für Geister), mit einem Kyogen, das ist ein komisches Zwischenspiel.

Und das braucht es auch. In Dominic Hubers U-BahnStation »Roppongi« mit hochweiß glänzenden Säulen und Kassettendecke, trifft der junge Mann (Thomas Hauser) auf den Geist eines Investmentbankers von Goldman Sachs (Stefan Merki). Der hatte sich vor die U-Bahn geworfen, weil er mit seiner Arbeit das Leben der Jungen zerstört hat. So gern man Stefan Merki auch sieht, die Ausführungen seines Banker-Geistes zur Finanzkrise in Japan lassen einen kalt. Und Jelena Kuljics klostergesangartige Litanei über die erbarmungslose Finanzwelt ist langweiliger als der Wirtschaftsteil der Tageszeitung. Derweil entlockt Kazuhisa Uchihashi einem Instrument namens Daxofon gar schaurige Katzenjammertöne.

Dann folgt das Kyogen »Gertrud«, und Anna Drexler flattert wie ein frischer Wind herein und monologisiert ziemlich verpeilt darüber, wie man sich als Schauspielerin am besten seinen Text merken kann, weil Autoren ja eiskalt so ellenlange Theatermonologe schreiben. Ihre Erkenntnis ist verblüffend.

Anna Drexler gelingt es im folgenden »Tochomae« als Geist des Feminismus in eine zumindest punktuell lebendige Beziehung mit Thomas Hausers Touristen auf der Suche nach den Schauplätzen von »Lost in translation« zu treten. So ehrenwert die Beschäftigung mit der Diskriminierung der Frau in der japanischen Gesellschaft ist, genauso wie die Verbrechen der Finanzwelt bleiben die Angriffe auf eine Abgeordnete durch sexistische Zwischenrufe papieren. Okadas gesellschaftliches Anliegen kommt blass und leidenschaftslos daher. Die zeitlupenhafte Fortbewegung Merkis, das elegische Schattenboxen Hausers, Drexlers Schreiten, Kuljics skandinavisch anmutende Endsilbenbetonungen oder ihre Rezitativgesänge, diese Formen treten nicht in Kontakt mit dem Inhalt. Möglicherweise liegt es daran, dass wir das Zeichensystem, in dem Okada arbeitet, nicht kennen. Vielleicht ist all das aber auch nur interessante Dekoration. ||

NO THEATER
Kammerspiele | Kammer 1 | 12. März| 15 Uhr | 19. März 18 Uhr | 17. März, 12., 19., 27. April | 20 Uhr
Tickets: 089 23396600

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