Ob auf der Bühne oder der Leinwand – der Münchner Comedian Rick Kavanian steht oft im Rampenlicht. Dabei besitzt er noch eine andere große Gabe. Nur bekommt man ihn da nie zu Gesicht – als deutsche Stimme von Austin Powers, Marty, dem Zebra, und Ramon, dem Pinguin.
Man kennt Sie als Komiker auf der Bühne und als Mitglied der legendären »Bullyparade«. Aber Sie arbeiten auch regelmäßig als Synchronsprecher. Kann man das lernen? Oder braucht man dazu einfach nur Talent?
In meinem Fall ist es eine Mischung, würde ich sagen. Das Talent hat dabei geholfen, einen Einstieg zu finden, aber meine Ausbildung hat tatsächlich unter der harten, aber auch sehr liebenswerten und sympathischen Ägide von Arne Elsholtz stattgefunden, der leider letztes Jahr von uns gegangen ist (er war u. a. die deutsche Stimme von Tom Hanks und Bill Murray, Anm. d. Red.). Das war 1999 bei der
Synchronisation von Mike Myers als »Austin Powers«, meiner ersten großen Hauptrolle. Ich habe in diesen Tagen unheimlich viel von ihm lernen dürfen. An diese Grundausbildung erinnere ich mich wahnsinnig gerne, denn Arne ist deutsche Synchrongeschichte, nicht nur durch seine Art zu sprechen, sondern auch wie er Dialogbücher geschrieben hat.
In einer fremden Sprache werden die Lippen ganz anders bewegt, wie kaschiert man das beim Synchronsprechen?
Wirklich guten Dialogregisseuren gelingt es, den Text so geschickt zu verändern, dass der Mund eben zu ist, wenn er zu ist und umgekehrt, ohne dabei den Inhalt der Geschichte zu verändern. Wenn es sich dabei gar um englischen Slang oder regionale Anspielungen handelt, ist es sehr schwierig, das ins Deutsche zu übertragen. Da bleibt die eine oder andere Pointe mal eben auf der Strecke. Oder man ist einfach so mutig wie Arne und macht was völlig anderes draus.
Inwieweit hat man als Sprecher die Möglichkeit, auf das Dialogbuch einzuwirken, es mitzugestalten?
Ich arbeite hier mit sehr guten Leuten zusammen. Da gehört es auch dazu, dass man sich austauscht, das Ganze auf Augenhöhe stattfindet. Wenn sich beispielsweise etwas für mich krumm anfühlt, dann sage ich das und biete etwas anderes an, wenn mir idealerweise sofort etwas einfällt.
Wie kann man sich das vorstellen? Wie lief das etwa bei Ihrem aktuellen Projekt »Why Him?«, wo sie dem US-Komiker Keegan-Michael Key Ihre Stimme leihen?
Key macht das im Original ganz wunderbar. Er spricht so wie Peter Sellers damals als Inspektor Clouseau, mit französischem Dialekt und leicht deutschen Einschlägen. Bei den ersten Synchronproben haben wir das auch ausprobiert. Aber da habe ich immer das Gefühl vermittelt, ich wüsste nicht, ob ich nun Deutsch oder Französisch machen soll. Das klang komisch, eben nicht richtig. Schließlich sind
wir dann bei dem spanischen Einschlag gelandet. Und da wurde aus dem weichen »Tschüsschen mit Küsschen« ein mit spanischem Akzent gesprochenes »Tschuss-chen mit Kusschen«. Nach einem sogenannten Influencer Screening in Köln habe ich dann zufällig ein paar Jugendliche beobachtet, wie sie diesen Spruch nachgeahmt haben. Ich sage jetzt nicht, dass so etwas in unseren Sprachgebrauch übergehen wird, aber das sind Kleinigkeiten, die hängen bleiben. Und dann freut es einen schon, dass man sich da einbringen konnte.
Als Schauspieler können Sie mit Ihrer kompletten Physiognomie das Gesagte unterstützen. Diese Hilfe haben Sie bei einem Synchronisationsjob nicht. Wie machen Sie das wett?
Ich muss tatsächlich so körperlich und gestisch wie möglich sein, weil es sonst nicht klingt. Hat man zum Beispiel die Hände hinter dem Rücken, hört sich das anders an, als wenn man sie vorne hält. Wenn also die Figur, die ich spreche, sitzt, setze ich mich, und wenn sie läuft, dann mache ich es ebenso. Es klingt wirklich immer anders, und in der Gesamtheit macht das sehr viel aus.
Ähnlich wie die Vertonung findet die Synchronisation immer am Ende einer Produktion statt, wenn das Budget allmählich knapp wird. Wird die Arbeit eines Sprechers genügend honoriert?
Wenn man von großen Hollywood-Studios wie Disney oder Dream-Works engagiert wird, dann verhalten sich die Amerikaner in der Regel sehr anständig. Da scheint nach wie vor noch genügend Geld vorhanden zu sein. Aber ich möchte an dieser Stelle einmal für die vielen Kollegen, von denen man nur die Stimme kennt, eine Lanze brechen. Denn auch sie sind tolle Schauspieler, keine Maschinen, die nur dastehen und den Mund öffnen und schließen. Auch sie besitzen eine große »Ausdrucksfähigkeitsgabe«. Deshalb gehört ihnen größter Respekt gezollt.
Manchmal wird allerdings auch jemand engagiert, der einen klangvollen Namen besitzt, aber von Synchronisation keine Ahnung hat – so kann es vorkommen, dass für einen Film über schnelle Autos zum Beispiel ein Formel-1-Fahrer besetzt wird.
Sollte es einen Formel-1-Fahrer geben, der sagt, ich wäre für mein Leben gern Synchronsprecher, und ich mache außer Formel-1-Fahren nichts anderes, als in meiner Freizeit heimlich Filme zu synchronisieren, dann wird er dies auch gut machen. Aber wenn man jemanden plötzlich aus dem Cockpit herausholt und zu ihm sagt: Jetzt sprich mal zwei, drei Sätze, dann wäre das in etwa dasselbe, wie wenn man mich in so ein Auto setzt und sagt: Fahr so schnell wie Hamilton. Keine Chance. Ich würde den Wagen sofort an die nächste Leitplanke setzen. Das kann man nicht so ad hoc abrufen.
Wie sieht es bei Ihnen persönlich aus? Gibt es Sprachen oder Dialekte, zu denen Sie gar keinen Zugang finden?
Eigentlich gibt es in diesem Bereich für mich keine Grenzen. Bei Stimmen ist das etwas anderes. An Joseph Ratzinger habe ich mir während seiner Regentschaft die Zähne ausgebissen. Egal, was ich versucht habe, ich habe diese Stimme nicht gefunden. Es war unmöglich.
Früher war Berlin die Synchronstadt Nummer eins. Ist das immer noch so?
Ich bin tatsächlich sehr oft in Berlin. Sowohl die »Madagascar«-Filme als auch »Hotel Transsilvanien« und »Why Him?« wurden dort produziert. Und auch für das neue »Schlümpfe«-Abenteuer, das kurz vor Ostern in die Kinos kommt, werde ich wieder in Berlin sein.
Ziehen Sie vielleicht mal in die Hauptstadt? Wäre doch praktisch?
Das habe ich tatsächlich schon überlegt, aber dafür bin ich viel zu gerne in München. ||
Rick Kavanian ist als Synchronsprecher mit »Why Him?« gerade in den Kinos, auf der Bühne mit seinem Programm »Offroad« am 22. und 23. Märzim Münchner Lustspielhaus und auf der Leinwand ab 20. Juli in »Bullyparade – Der Film« mit Christian Tramitz und Michael Bully Herbig
Das könnte Sie auch interessieren:
Dark Glasses: Der neue Film von Dario Argento
Ein ganzes Leben: Der neue Film von Hans Steinbichler
Il buco – Ein Höhlengleichnis | MF Online Deluxe
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, dass Sie diesen Text interessant finden!
Wir haben uns entschieden, unsere Texte frei zugänglich zu veröffentlichen. Wir glauben daran, dass alle interessierten LeserInnen Zugang zu gut recherchierten Texten von FachjournalistInnen haben sollten, auch im Kulturbereich. Gleichzeitig wollen wir unsere AutorInnen angemessen bezahlen.
Das geht, wenn Sie mitmachen. Wenn Sie das Münchner Feuilleton mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen, fördern Sie den unabhängigen Kulturjournalismus.
JA, ich will, dass der unabhängige Kulturjournalismus weiterhin eine Plattform hat und möchte das Münchner Feuilleton