Kontrollierte Form und sensitive Experimente: Feinstes Kunsthandwerk aus Korea zeigt der Bayerische Kunstgewerbeverein.
»Land des Lächelns«, mit diesem Etikett ist schon China belegt. Korea ist das »Land der Morgenstille«, eigentlich »Morgenfrische«: eine freundliche und stolze Kultur, einst ein Königreich, das auf Jahrhunderte Unabhängigkeit zurückblicken konnte. Heute ist Südkorea ein Land der Technik und Elektronik – mit faszinierendem zeitgenössischem Industrial Design und einer höchst lebendigen Kunsthandwerkstradition. Wurde doch in Korea schon 200 Jahre vor Gutenberg der Buchdruck mit beweglichen Metall-Lettern praktiziert, brachte man chinesische Handwerkskünste zur Vollendung, etwa in Seide, Goldarbeiten und Töpferei.
Im Januar vergangenen Jahres konnte man in der Galerie Handwerk staunen über Kap-Sun Hwang und seine Schüler. Hwang lebt seit 1990 in Deutschland, hat im norddeutschen Kellinghusen sein Studio und bildet als Professor für Keramik an der Universität von Seoul Studierende aus, die ihrerseits durch hohe Qualität und Formensinn überzeugen. Hwangs Vasen, für die er bei der Internationalen Handwerksmesse München mit dem Bayerischen Staatspreis ausgezeichnet wurde, sind Kunstwerke im Geist der Geometrie der konstruktivistischen Moderne und technische Meisterleistungen.
Das Lächeln des Gefäßes
Den Gefäßen mit ihrer einzigartigen Oberfläche, in die sich alle Fingerspitzen verlieben, kann man jedes Jahr an Christi Himmelfahrt begegnen, auf dem Dießener Töpfermarkt. Dort trifft man auch Kiho Kang aus Höhr-Grenzhausen, den Dießener Preisträger 2015 und zweifachen Bayerischen Staatspreisträger. Seine Väschen, Kannen und Utensilien zur Teezubereitung zeigen eine zärtlich-grobe Haut und klare, aber individuell verschiefte Formen.Kannen von makellos perfekter, zugleich individueller Form und Oberfläche – freilich aus Metall – sind aktuell in der Galerie des Bayerischen Kunstgewerbevereins zu sehen.
Die Präsentation vereint 20 Kunsthandwerker aus Korea und zeigt Schmuck und »Gerät«, das heißt Gebrauchsgegenstände in der Tradition der Silberschmiedekunst. Die silberne Teekanne von YongIl Jeon wirkt auf den ersten Blick minimalistisch und funktional: Die aufstrebende Tülle dürfte nicht tropfen. Der Griff aus Nickel fügt ästhetisch eine optische und haptische Dimension hinzu: Er vermindert die Wärmeleitung der heißen Flüssigkeit und liegt doch warm und schmeichelnd in der Hand. Und auf den zweiten Blick zeigt das Gefäß in jeder Hinsicht ein schönes Lächeln.
Ein Ring wie eine M. C. Escher- Treppe
Jeon ist Professor für Metallarbeiten und Goldschmiedekunst an der Kookmin University in Seoul. Dort lehrt auch YongJin Chung, der einen neuen Ansatz in der 3-D-gestützten Metallbearbeitung verfolgt: Seine Gefäße sind aus Facetten zusammengesetzt, deren Formen durch Computerberechnung und Laserschnitt entstanden. DongHyun Kim hat dort Bachelor und Master absolviert und belegt nun das Graduiertenstudium für Techno Design. Seine Silberkanne ist ein Objekt von höchster Eleganz, ein schwingendes Bündel wellenförmiger Streifen, die sich zur Tülle zusammenfinden. Er hämmert das Metall, aus unzähligen Pünktchen erwächst die Form.
Shin Lyoung Kim, ebenfalls aus der Kookmin-Schule, macht Schmuck mit schmalen flächenhaften Hell-Dunkel-Strukturen und linearen Ornamenten und deren Repetition. Auf einem Ring greifen die Treppen wie bei M. C. Escher ineinander, ein Halsband bildet einen zugleich starren und ebenso in Bewegung versetzten rechteckigen Rahmen. Auch sechs andere ehemalige Absolventen und zwei weitere Lehrkräfte dieser Ausbildungsstätte – JinSoon Woo, mit Silberbroschen in perfekter geometrischer Sägetechnik, und HeaLim Shin, mit freien abstrakten Formen aus akkumulierten Materialien – repräsentieren das Spektrum heutiger Ansätze.
Vogelwildes trifft auf Elementares
Schmuck gab es so gut wie nicht im konfuzianischen Korea und kam erst nach der Öffnung mit den Olympischen Sommerspiele 1988 in Seoul in Gebrauch. Autorenschmuck sorgt – wie im Westen – für eine Verlebendigung der Ausdrucksformen und Materialerkundungen. Die uralte Technik der Granulation, auch in Korea heimisch, wird von BogKi Min mit neuen technologischen Möglichkeiten wie Pulvermetallurgie, Galvanoplastik und 3-D-Druck erweitert, was zu neuen FormenKonglomeraten aus Mikroeinheiten führt. Auch SungWon Martha Lee hat erst in Deutschland studiert und die Karriere in Korea fortgesetzt. Mit Ottchil-Lack bemaltes Holz dient bei ihr als Wandschmuck wie als Teller mit Stäbchen. Vergleichsweise vogelwilde Objekte sind nämlich auch vertreten.
Doch meist paart sich Verspieltheit mit Gespür für das Elementare, Wesentliche. Die bayerisch-koreanische Freundschaft setzt sich fort. War letztes Frühjahr im Nationalmuseum erstmals die ganze Vielfalt aktuellen Designs in einer Übersichtsausstellung der Korea Crafts & Design Foundation zu
sehen, zeigt diesen März die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne koreanisches Kunsthandwerk und Design aus den eigenen Beständen. Da gibt es vielleicht ein Wiedersehen, denn Staatspreisträger wie Kap-Sun Hwang mit seinen Vasen und DongHyun Kim mit Metallarbeiten sind dort bereits im Bestand. ||
KOREANISCH
Galerie für angewandte Kunst
Pacellistraße 6–8 | Eröffnung: 19. Januar,
18.30 Uhr | bis 18. Februar| Mo bis Sa
10–18 Uhr | 20. Januar, 10–20 Uhr: Vortragsabend mit Petra Hölscher (Die Neue Sammlung), Rosalie Kim (Victoria and Albert Museum), YongIl Jeon (College of Design,
Kookmin University Seoul), JungHoo Kim
(Schmuckkünstlerin, Seoul)
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