Für ihr erstes Kabarettsolo »Vor der Hochzeit und schon Witwe« kramt Beatrix Doderer im Schatzkästlein einer Schauspielerin.
Zwei Jahrzehnte lang war sie Ensemblemitglied unter anderem in den Kammerspielen, im Residenztheater und der Lach- und Schießgesellschaft. Doch nach 20 Jahren, in denen sie an Schauspielhäuser vertraglich gebunden war, wollte sie frei und unabhängig sein, sich selbst verwirklichen, Neues ausprobieren, Grenzen ausloten und auch überschreiten.
Den Sprung in die Selbstständigkeit hat sie inzwischen geschafft, und ihren eigenen Weg wird sie zweifellos mit Erfolg weitergehen dank ihrer präzisen Schauspielkunst, ihrer Liebe zur Literatur und ihrer Begeisterung für Musik. Eine Kostprobe all dieser sympathischen Eigenschaften und ihres von Enthusiasmus geprägten Weges zur Selbstständigkeit serviert Beatrix Doderer nun in ihrem ersten Kabarettsolo, das freilich mehr ist als ein unterhaltsamer Kabarettabend.
Pfiffige Pointen schon auch, wenn sie etwa über den Lauf des Lebens als ununterbrochene Folge von »Plätzen« – vom Kindergartenplatz über den Arbeitsplatz mit Autoparkplatz bis zum Platz im Altenheim und letztlich auf dem Friedhof – sinniert. Vor allem jedoch ist dieser Abend eine rundum erfrischende Lektion in Schauspielkunst, wenn sie hier in einige der von den Dramatikern verfassten Rollen fürchterlich verliebter Prinzessinnen und auf ihre Unabhängigkeit mit Vehemenz pochender Bürgertöchter schlüpft. Zwischen jugendlichem Furor und mädchenhafter Anmut serviert sie diese Perlen der Theaterliteratur ebenso hinreißend wie sie die den Tragödinnen des 19. Jahrhunderts auf den Leib geschriebenen Monologe mit dem skurrilen Pathos der Meiningerei über die Bühne donnert.
Und zwischendurch nimmt sie immer wieder bescheiden am Tischchen unter der Leselampe Platz, um mit großem Ernst – und doch mit einer Portion Schalk im Nacken – melancholische und emanzipatorische Gedanken und Manifeste literarischer Frauenfiguren – von Madame Bovary beispielweise über Anna Karenina bis zu Brechts Johanna der Schlachthöfe und Ingeborg Bachmanns Wassergeist Undine – unter dem Motto dieses abwechslungsreichen Abends »Vor der Hochzeit und schon Witwe« vorzutragen.
Freilich sind in diesem Schatzkästlein aus dem Leben und Wirken einer Schauspielerin auch ein paar Simili-Geschmeide in Gestalt müder Kalauer und schaler Witzchen beispielsweise über das Mann-Frau-Verhältnis enthalten. Aber wie Beatrix Doderer mit entwaffnendem Lächeln aus ihrem nicht immer einfachen Leben plaudert und mit schier ungebremstem Spaß ehrliche Freude am Rollenspiel hat, das ist zweifellos ein Kleinkunstschmankerl der ganz besonderen Art im idyllischen Fraunhofer-Theater. ||
VOR DER HOCHZEIT UND SCHON WITWE
Theater im Fraunhofer | 5., 6. Mai 2017
20.30 Uhr | Tickets: 089 26 78 50
info@fraunhofertheater.de
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