Dieter Nelle inszeniert mit drei Schauspielern im Teamtheater Shakespeares Spätwerk »Der Sturm«.
Prospero bastelt ein Papierschiffchen und lässt es durch die Luft segeln. Die Insel, auf der er vor vielen Jahren mit seiner Tochter Miranda gestrandet war, ist sein Reich, was hier geschieht, ist sein Werk. Der Zauberer und Spielmacher hat einen tosenden Sturm entfacht, der seinen Bruder Antonio und den König von Neapel samt Gefolge an das Ufer spülte. Einst hatte sein machthungriger Bruder ihn aus Mailand vertrieben, und nun bietet sich Prospero endlich die Chance, sich zu rächen.
Nur zwei rote Stühle stehen auf der Bühne. Mehr braucht es nicht für Shakespeares »Sturm« in der radikal reduzierten Fassung von Joachim Lux, die 2007 in Wien Premiere feierte und die Dieter Nelle im Teamtheater neu inszeniert hat. Darin werden weite Textpassagen komprimiert nacherzählt, und drei Schauspieler verkörpern alle auftretenden Figuren. Das kleine Ensemble meistert die Rollenwechsel gewitzt und souverän.
Wolfgang Rommerskirchen beeindruckt als mal altersmelancholischer, mal streng autoritärer Herrscher und Erzähler Prospero, der sich am Ende mit seinen Feinden aussöhnt und der Macht entsagt, durch sprachliche Präzision und mimt obendrein den Hofnarren Trinculo. Sophie Meinecke zeigt eine selbstbewusste und eigensinnige Miranda, wirft sich geschwind einen erdbraunen Kapuzenmantel über und krümmt und windet ihren Körper prächtig als Caliban, wenngleich sie etwas zu mädchenhaft wirkt für die Rolle der wilden, erziehungsresistenten Kreatur. David Tobias Schneider tänzelt mit keckem Hüftschwung als Luftgeist Ariel und verwandelt sich flugs in den verliebten Königssohn Ferdinand und in Trinculos Saufkumpan Stephano. Zuzusehen, wie die clownesken Trunkenbolde sich mit Caliban gegen Prospero verschwören, ist amüsant.
Allein, ihre Späße nehmen zu viel Raum ein an diesem Abend. An die gewichtigen Themen, die in Shakespeares hochkomplexem Drama stecken, in dem ein mit einem magischen Buch ausgestatteter Europäer sich eine Insel angeeignet und deren Bewohner versklavt hat, rührt die Inszenierung nicht: die Auseinandersetzung mit einem kolonialistischen Weltbild, dem Antagonismus von Zivilisation, Kunst und Natur. Letztlich fehlt Nelles »Sturm« nicht nur der große Bilderzauber, sondern auch ein aufregender inhaltlicher Akzent und inspirierender intellektueller Funke. Wer sich daran nicht stört, kann aber einen hübschen, unterhaltsamen Theaterabend erleben. ||
DER STURM
Teamtheater Tankstelle| Am Einlass 2a
bis 17. Dez.| Mi bis Sa 20 Uhr | Tickets:
089 2604633 | Website
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