Büchertipps für alle, die das richtige Geschenk machen wollen, das falsche gegen das richtige umtauschen möchten – oder einfach lieber lesen, als sich ins Getriebe zu stürzen.

Valeria Luiselli – Die Geschichte meiner Zähne

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GISELA FICHTL
Eine Geschichte mit vielen Enden. Das erste schon auf Seite 38: Da wird Gustavo Sánchez stolzer Besitzer des Gebisses von Marilyn Monroe. »Die Zähne sahen etwas gelblich aus, angejahrt und vielleicht ein klein wenig schief, wahrscheinlich, weil Divas rauchen.« Dennoch hört er nach der Implantation des »heiligen Gebisses« nicht mehr auf zu lächeln.

Etliche Episoden später erbt Gustavo eine Sammlung von Gebissen, die er in einem spektakulären Showdown nach vielerlei Wirrnissen in einer Kirche versteigert, und steuert auf ein weiteres Ende dieses Buches zu. Es seien die Gebisse berühmter Menschen wie Plato, Rousseau, Montaigne, Virginia
Woolf …, wertvoll nur durch die Namen und die Geschichten, die Gustavo dazu erzählt.

Und da wären wir schon beim nächsten Ander-Nase-herum-geführt-Werden: Sämtliche Onkels, Tanten, Söhne und Zahnärzte tragen Namen von Berühmtheiten – Elvis, Sartre, Van Dyke und so weiter. Auch Gustavos unehelich gezeugter Sohn, der in einer Art sadistischer Performance seinem Vater das Gebiss von Marilyn Monroe … – aber das wollen wir vielleicht doch nicht verraten. Er trägt den Namen Ratzinger.

»Die Geschichte meiner Zähne« ist ein höchst skurriler Schelmenroman, der schamlos mit Zuschreibungen und der Aufwertung von Banalitäten durch illustre Namen jongliert. Sollen wir der Autorin glauben, die im Epilog behauptet, das Buch sei das Ergebnis eines Kunstprojekts? Gefundenes Fressen für Leser, die Literatur mit Biss zu schätzen wissen, ist es auf jeden Fall. ||

VALERIA LUISELLI:
DIE GESCHICHTE MEINER ZÄHNE
Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz | Kunstmann Verlag, 2016 | 192 Seiten | 18,95 Euro,
E-BOOK 16,99 Euro

Gerd Holzheimer (Hrsg.) – »Man hat halt so eine Sehnsucht in sich…« – Eros in Bayern

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HANNES S. MACHER
Liebe in Bayern, das ist ein schier unerschöpfliches Thema in Gedichten, Erzählungen, Romanen, Theaterstücken, Filmen und Liedern. Doch keinen trivialen Almanach über »d’ Liab dahoam« hat der Bavarica-Spezialist Gerd Holzheimer hier zusammengestellt, sondern er hat sich auf die Pirsch gemacht, bekannte und weniger bekannte Texte über den »Eros in Bayern« (so der Untertitel) nicht chronologisch, sondern nach Themen wie »Anbandeln«, »Ein unvergessliches Erlebnis« oder »Eifersucht« geordnet.

Da stehen die Minnelieder von Walther von der Vogelweide neben einem Auszug aus Frank Wedekinds Schauspiel »Frühlings Erwachen« und Liebesgedichten von Bert Brecht. Und im Kapitel »Machismo« dürfen natürlich die (falschen) Liebesschwüre vom Monaco Franze ebenso wenig fehlen wie Satiren der Biermösl Blosn.

Doch liegt der Reiz dieser Anthologie nicht nur in der Gegenüberstellung von Texten aus zehn Jahrhunderten zu allen Erscheinungsformen und Spielarten der Liebe, sondern auch in den ebenso kenntnisreichen wie amüsanten Kommentaren und Hinweisen zur Biografie und zum Werk der jeweiligen Autorinnen und Autoren. ||

HOLZHEIMER, GERD (HG.):
»MAN HAT HALT SO EINE SEHNSUCHT IN
SICH …« – EROS IN BAYERN
Bayerland Verlag, 2015 | 240 Seiten | 14,90 Euro

Bela B & Rainer Brandt – Sartana. Noch warm und schon Sand drauf

Sartana noch warm und schon Sand drauf von

Sartana noch warm und schon Sand drauf von

FLORIAN WELLE
Wenn Bela B nicht gerade für »Die Ärzte« trommelt, dann treibt er sich in Filmen herum oder seine Solokarriere voran. Zudem taucht er immer wieder in Hörspielen und -büchern auf. Seiner Leidenschaft für Sprechrollen verdanken wir nun ein Projekt, das mit einem glorreichen Halleluja den Cowboyhut vor einem Filmgenre zieht, das längst das Zeitliche gesegnet hat: dem Spaghettiwestern. Für »Sartana. Noch warm und schon Sand drauf« schlüpft der Punk in die Rolle des unkaputtbaren »Charismatikers im Totengräberkleidchen«.

Zwischen 1968 und 1970 ballerte sich Sartana in fünf Filmen in die Herzen der B- und C-Movie-Fans,
immer einen Spruch irgendwo zwischen Dada und Gaga auf den Lippen. Das WDR-Hörspiel basiert auf Rainer Brandts Synchronfassung des gleichnamigen Films, für die Regie zeichnet Leonhard Koppelmann verantwortlich. Brandt schrieb auch die Dialoge für Terence Hill und Bud Spencer, und so wimmelt es auch in »Sartana« von verbalen Flapsigkeiten. Im Saloon stehen »Watschengesichter« herum, die »taub am Löffel« sind, weshalb man ihnen wahlweise mit dem »Engelmacher«, dem »Peacemaker« oder der »Bleispritze« auf die Sprünge (ins Jenseits) helfen muss.

Worum es geht? Im engeren Sinn um Grundstücksspekulation. Im weiteren um Gier. In den Sprech von
»Sartana« übersetzt, heißt das: um »Machos, Mörder, Möpse«. Hörspiel-Kaliber wie Oliver Rohrbeck und Stefan Kaminski komplettieren das Ensemble. Musikalisch untermalt wird der lässige Italowestern-Spaß durch Songs von Bela B, Peta Devlin und den »Smokestack Lightnin,«. ||

BELA B, RAINER BRANDT: SARTANA.
NOCH WARM UND SCHON SAND DRAUF
Der Hörverlag, 2016 | 2 CDs | Laufzeit ca. 92 Min.
16,99 Euro

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