Gitarre statt Fiddle – die Kalifornierin Margaret Glaspy mag Musik gerne rau.
Mindestens zwei Lieder gibt es, mit denen die amerikanische Songwriterin Margaret Glaspy ihre Hörer in die Irre führt. Wer bei YouTube an ihre »Behind the Glass Sessions«-Version von »No Matter Who« gerät, fängt sich einen Ohrwurm ein, dessen erste acht Takte unwiderstehliche Popmusik sind. Was Klavier und Bass dort Eingängig-Raffiniertes treiben, ist aber ganz spontan im Studio entstanden.
Auf Margarets aktuellem Album »Emotions And Math« hört sich die gleiche Passage viel spartanischer an: halb so viel Akkorde, weg mit der »catchy bassline« und den mehrstimmigen Background Vocals – ein Rocktrio samt rauer Gitarre, minimal mit Sounds einer Hammond angereichert. Glaspys Thema ist das Scheitern asymmetrischer Erwartungen oder gar ihre eigene Unfähigkeit, Beziehungen aufzubauen. Dann kann ihre Stimme herzzerreißend mädchenhaft klingen, statt ziemlich cool, dezent angereichert mit kleinen wie bei Louis Armstrong knurrenden Growls, an denen man sie sofort erkennt.
Dass Margarets »guilty pleasure« eine geheime Liebe zur Popmusik ist (»Ich höre mir auch Justin Bieber an oder Taylor Swift«), bemerkt man, wenn Songs wie »You And I« oder »Somebody To Anybody« ein wenig nach Beatles klingen. Aber sie weiß, wie man einem klassischen Riff einen neuen Twist verpasst und mit wohldosierten Dissonanzen würzt.Sogar im Studio klingt ihre Musik kein bisschen poliert, sondern nahe an dem, was ihr Trio in gleicher Besetzung live anstellen wird. Dann kommt Margaret zugute, dass sie schon als Teenagerin auf Bühnen gestanden hat. Ursprünglich mit der Geige im ländlichen Kalifornien bei mancher »Oldtime Fiddlers Championship«, dann in Boston, wo sie ihr Berklee-Studium nach einem Jahr aus Geldmangel abbrechen musste. Schließlich in kleinen New Yorker Clubs.
Und nun hat der amerikanische »Rolling Stone« sie unter »10 New Artists You Need to Know« gelistet, um europaweit zu widerlegen, was die freundlich Sperrige im Song »Situation« einem lästigen Frauenversteher entgegenschleudert: »I don’t like sympathy.« ||
MARGARET GLASPY
Feierwerk Kranhalle| 21. Nov.| 19.30 Uhr
Tickets: 089 54818181 | Zum Konzert
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