HFF-Schüler Alex Schaad hat für seinen Übungsfilm »Invention of Trust« den Studenten-Oscar gewonnen. Doch viel Zeit zum Feiern bleibt ihm nicht. Er dreht schon wieder, im Ruhrpott, unter Tage, in Deutschlands letzter Zeche.
Die Münchner Hochschule für Fernsehen und Film scheint ein gutes Pflaster zu sein, wenn es darum geht, internationale Auszeichnungen zu erlangen. Nach »Abgeschminkt« von Katja von Garnier (1994), »Quiero ser« von Florian Gallenberger (2000) und »No cebo« von Lennart Ruff (2014) geht der Studenten Oscar in diesem Jahr erneut an eine HFF Produktion – und zwar an »Invention of Trust« von Alex Schaad.
In dem als »Film 02« verfertigten Übungsfilm geht es um einen jungen Lehrer, der eines Tages damit konfrontiert wird, dass eine mysteriöse Internetagentur sämtliche seiner privaten Daten im Netz für jedermann zugänglich gemacht hat. In der Folge muss er sich für Aussagen rechtfertigen, die niemals für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Diese düstere Zukunftsvision eines gläsernen Menschen, die kaum aktueller sein könnte,wareswohl auch, die die Juryder Student Academy Awards letztlich überzeugte. Denn, so Schaad: »Wir haben den Film praktisch ohne Budget gemacht. Da wir also aus Kostengründen nicht durch eine gewisse Ästhetik brillieren konnten, musste der reinformelle Clou so stark sein, dass der Film irgendwie im Kopf bleibt. Denn rein technisch gewinnen wir damit keinen Blumentopf.«
Es lässt sich sicherlich lange darüber philosophieren, wie viel Anteil eine Schule am Erfolg ihrer Studenten hat. Und ob man an der HFF gut ausgebildet wird, kann Alex Schaad nicht beurteilen,weil ihm die Vergleichswerte fehlen. Aber eines weiß er sicher:»Deutschland ist für junge Filmemacher das beste und produktivste Land, in dem man sein kann. Denn in keinem anderen Land gibt es so viele Filmschulen auf so hohem Niveau, die staatlich so hoch subventioniert sind. Und sind wir doch mal ehrlich: Du bekommst Geld dafür, um Spaß zu haben. Du kriegst Equipment, und dir wird gesagt: Geh raus und mach einen Film damit.«
Wenn man schon in jungen Jahren – der gebürtige Kasache ist gerade einmal 26 und studiert seit 2013 an der HFF – so viel Ruhm und Ehre erfährt, kann es schon passieren, dass man abhebt, die Bodenhaftung verliert. Doch Produzent Richard Lamprecht, drei Jahre jünger als Schaad und mit Kameramann Ahmed El Nagar einer der Erfolgsgaranten des Films, sieht diese Gefahr nicht: »Gerade eben hat mir erst jemand erzählt, dass er es so toll findet, wie geerdet Alex ist. Das kann ich nur unterschreiben.« Und Schaad ergänzt: »Die Sache ist die: Wir haben es nie darauf angelegt, erfolgreich zu sein. Wir haben uns als Team gefunden, als kleine Familie,und wir sind gottfroh und dankbar,dass wir zusammen arbeiten können.«
Viel Zeit zum Nachdenken und Ausruhen auf den Lorbeeren bleibt den hochdekorierten jungen Filmemachern tatsächlich nicht. Denn nach einer Woche Los Angeles mit vielHandshake, Networking und der Preisübergabe-Zeremonie geht es jetzt im Oktober direkt weiter mit dem nächsten Projekt. Dieses Mal wird im Ruhrpott gedreht, so Lamprecht: »Dort steht die letzte aktive Steinkohlezeche, Prosper-Haniel in Bottrop. Die wird 2018 dicht gemacht, und dann gibt es in Deutschland keinen Steinkohleabbau mehr.«
Für Alex Schaad die ideale Gelegenheit, einem faszinierenden Berufszweig ein Denkmal zu setzen: »In unserem neuen Film geht es um einen Bergmann Ende 40, Anfang 50,der in einer tiefen Sinnkrise steckt. Jetzt überlegt er, wie sein Leben mit kaputtem Körper und einem Beruf, den es nicht mehr gibt, noch irgendwie von Nutzen sein könnte.«
Ein Thema, das inhaltlich zwar eine ganz andere Richtung einschlägt als »Invention of Trust«, aber erneut viel Fläche für Konflikte und jede Menge Drama bietet. Und in Zeiten der totalen Digitalisierung, in der die Handhabung der Technik für alle zum Kinderspiel geworden ist, sind es gerade die guten Geschichten, die mehr und mehr zum Alleinstellungmerkmal avancieren und so für das Kino immer wichtiger werden. ||
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