Die Bregenzer Festspiele locken mit spektakulären Opern, aber auch reichlich weiterer Kultur an den sommerlichen Bodensee. Eine Vorschau.

Bregenzer Festspiele 2024

Freischütz trifft Trancredi

bregenzer festspiele

Die Seebühne des Bregenzer Festspielhauses, ein spektakulärer Anziehungspunkt © Anja Köhler

Nichts von »wässrigem Verona für Arme« am Bodensee! Seit Ex-Intendant Alfred Wopman von 1983 an die Bregenzer Dramaturgie etabliert hat, gibt es auf der inzwischen modernsten Open-Air-Bühne für rund 150 000 Besucher erstklassige »Oper für alle« am See zu akzeptablen Preisen. Ein populäres Werk in meist spektakulärer Realisierung und akustisch so gut, dass selbst das anfangs hochnäsige James-Bond-Team 2008 für »Ein Quantum Trost« den Bregenzer O-Ton aus »Tosca« in den Film nahm. »Bregenz Open Acoustics« wird Jahr für Jahr vom Fraunhofer Institut verbessert und immer raffinierter. Inzwischen kann aber auch die Szene der Seebühne fast alles und rückt in diesem Sommer Carl-Maria von Webers »Freischütz« mit deutschem Wald, wässrigem Sumpf, Dorf und Schlucht so nah an die ersten Reihen der stark ansteigenden Tribüne, dass nicht nur alle wie sonst auch gut sehen, sondern der Grusel fast hautnah wirken kann. Regisseur Philipp Stölzl liebt ja aus seinen Popsongvideos heraus den deftigen Effekt. Da wird aus Fehlschuss, hämischem Dorfspott, Teufelsbeschwörung, gespenstisch gegossenen treffsicheren Freikugeln und unschuldiger, fast scheiternder Liebe wohl ein schauerlich schönes Gewirr in den hereinbrechenden – mal glutrot traumhaften, mal mit Wolken drohenden – See-Abend gezaubert werden (27 Vorstellungen ab 17. Juli).

»Bregenzer Dramaturgie« bedeutet dann auch die »Opern-Orchidee« im Festspielhaus,also das seltene Werk, das selbst der reisende Kenner kaum irgendwo sonst erleben kann. Bekannt ist, dass Gioachino Rossini viele komische Opern komponiert hat, aber dem »Tancredi«, der ersten »opera seria« des damals Zwanzigjährigen, begegnet der Opernfreund kaum. Der noch in Nürnberg als Schauspielchef tätige, ab 2025 ans Wiener Volkstheater berufene, aber sehr opernaffine Jan Philipp Gloger hat zusammen mit der jungen Dirigentin Yi-Chen Lin das tragische Ende der Komposition gewählt: mit einem kerzengleichen Verlöschen des Helden in versöhnter Liebe, von Rossini bewegend schön gestaltet. Die Taiwanesin Lin hat nicht nur ihre Ausbildung beim Rossini-Altmeister Alberto Zedda in Pesaro abgeschlossen, sondern bereits in Zürich, Berlins Deutscher Oper und Valencia dirigiert. Noch erfreulicher ist, dass sie als Assistentin die vergangene Bregenzer »Butterfly«-Produktion zwei Jahre begleitet hat und daher mit Orchester, Chor und dem ganzen Haus vertraut ist (drei Aufführungen ab 18. Juli).

Der Bregenzer Festspielbesuch muss aber eigentlich »gedehnt« werden. Nicht nur, dass das gleich neben dem Festspielkomplex gelegene, weiträumige Strandbad lockt oder die schöne Uferpromenade. Der von Peter Zumthor geschaffene »Glasquader« des Kunsthauses Bregenz bietet zur Festspielzeit eine Ausstellung von Anne Imhof. Das benachbarte Vorarlbergmuseum zeigt die Kultur der ganzen Region, die sich ja vor allem mit zeitgenössischer Architektur einen Namen gemacht hat. Ausflüge lohnen sich.

Zwischen den Museen liegt außerdem das Kornmarkttheater, in dem die Musikbanda Franui mit »Hotel Savoy« wunderbar schräge Musikgaudi im Juli, dann im August das Opernstudio der Festspiele Rossinis »Ehevertrag« und Puccinis »Gianni Schicchi« in der Einstudierung von Brigitte Fassbaender bietet. Die von der scheidenden Intendantin Elisabeth Sobotka immer auch gepflegte Moderne lockt darüber hinaus mit ganz Besonderem. Denn in der Werkstattbühne studiert Ex-Intendant David Pountney »Hold your breath« ein. Es ist ein Musiktheater, in dem Komponistin Éna Brennan, Ausstatter Hugo Canoillas und LibrettistRegisseur Pountney ein Klang-Raum-Bewegungseintauchen für das umherwandelnde Publikum zum Erlebnis machen wollen, Stichwort Immersion. Zur Abrundung bietet das Festival auch einen Reigen von Orchester-Kammermusik-Jugend-Kindertheater-Aufführungen, herausragend die Symphoniekonzerte der Wiener Symphoniker, dem Stammorchester der Festspiele, das eine Orchesterakademie für den Nachwuchs abhält. Und das gereifte Symphonieorchester Vorarlberg erweitert das Konzertangebot. All dies ist zugänglich, für Kinder mit Karten ab 8, für Erwachsene ab 20, auf der Seebühne ab 30 Euro, also tatsächlich so etwas wie »Kultur für alle«. ||

BREGENZER FESTSPIELE 2024
Festspielhaus Bregenz | Platz der Wiener Symphoniker 1, Bregenz | 17. Juli bis 18. August | verschiedene Zeiten | Tickets: 0043 55744076

Weitere Vorberichte und Kritiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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