Michael Thalheimer inszenierte eine düstere Zu-kurz-Version von »Richard III.« im Residenztheater.

Elisabeth (Hanna Scheibe) schreit vor Schmerz: Richard (Norman Hacker) hat ihre Söhne umgebracht | © Matthias Horn

Dieser Usurpator, der sich skrupellos an die Macht mordet, ist ohne Zweifel der größte Schurke der Weltliteratur. Und weil Schauspieler am liebsten Schurken spielen, verkörpert Norman Hacker nun Shakespeares Monster-Scheusal Richard III.: den Inbegriff des Bösen aus freiem Willen, den Hitler der englischen Renaissance. Michael Thalheimer ist berühmt für (meist) stringente dramaturgische Werkverkürzungen. Im Residenztheater inszenierte er eine bis zur Unverständlichkeit verknappte Endzeit-Version von »Richard III.«

Einen hermetisch-düsteren Turm aus Holzplanken baut Olaf Altmann auf die Bühne, den Boden bedecken knöchelhoch raschelnde Plastikschnipsel. Figuren tauchen wie Lemuren ausder Tiefe auf, manche schieben sich gespensterhaft seitlich aus der Kulisse. Aus diesem Verlies gibt es kein Entkommen, nur einmal brechen Lichtstrahlen durch die Ritzen. Hässlich, bucklig und hinkend ist der Herzog von Gloster, der mit allen Mitteln König werden will. Der Zyniker wuchert mit dem Pfund seines Handicaps: »Weil ich den Liebhaber nicht spielen kann … hab ich beschlossen, den Dreckskerl aufzuführen«, sagt er in der Übersetzung von ThomasB rasch. Dazu inszeniert er sich und seine Behinderung effektvoll. Meist steht Norman Hackers Richard mit nacktem Oberkörper aufrecht an der Rampe, bleich und rotäugig geschminkt wie ein Stummfilmheld. Wenn er Eindruck und Mitleid schinden will, schiebt er das Gesäß nach hinten und verrenkt Oberkörper und Arme wie ein spastischer Moriskentänzer. Das Spielen mit dieser Rolle stellt Hacker kunstvoll aus, aber es bleibt so künstlich wie die ganze Inszenierung.

Dem König Heinrich schneidet Richard gleich zu Beginn eigenhändig die Kehle durch, da spritzt Blut. Dessen Witwe macht er an der Totenbahre einen Heiratsantrag – diese tolldreiste, erfolgreiche Werbung ist üblicherweise das Glanzstück jeder Aufführung. Thalheimer lässt sie bar jeder Psychologie spannungslos verzappeln von einer neurotischen Lady Anne(Anna Drexler) und dem hier hyperaktiven Hacker.

Sonst liefert Richard alle Haupt- und Staatsaktion – also seine Mordbefehle – stoisch-statisch an der Rampe ab, wie die Karikatur eines Comic-Supermans. Von hinten wieseln sein mephistophelischer Spindoktor Buckingham (vertänzelt von Thomas Schmauser) mit schwarzen Handschuhen und lächerlichem Tuchkäppi heran sowie der treue Diener Catesby, der mit einerknallroten Plastiktüte als einzigem Farbfleck in all dem Bühnenschwarz die Morde hübsch realistisch ausführt. Marcel Heupelmann spiegeltals komische Sympathiefigur mit untertäniggebücktem Humpeln Richards Behinderung. Die Nebenfiguren gewinnen kaum Profil, sie scheinen alle einem Stummfilm-Gruselkabinett entsprungen. Die alten Witwen gemeuchelter Könige schlurfen ab und zu über die Bühne: Sibylle Canonica als flucherfüllte Margaret humpelt an Schwertern als Krücken, Richards Mutter (Charlotte Schwab) droht mit dem Gehstock. Unheimlich wie die drei »Macbeth«-Hexen rechnen sie und die noch frisch geschmerzte Witwe Elisabeth (Hanna Scheibe) ihre toten Söhne und Männer gegenseitig auf.

Bei der Premiere wurde in der ersten Hälfte viel zu viel geschrien und wild gestikuliert, vielleicht legt sich das. Erst Michele Cuciuffo als Auftragskiller sprach nach der Pause wohltuend ruhig und verständlich. Richards statische Rampen-Position verkürzt die Dramaturgie und Chronologie unzulässig: Eben noch ist er auf dem Weg zum Schlachtfeld, im nächsten Satz schreit er schon: »Ein Pferd, ein Pferd …«. Die prophetische Albtraum-Geisterszene dazwischen ist gestrichen. Wie auch sonst jede (psycho-)logische Entwicklung. Thalheimer und Hacker wollen nur die Souveränität der Macht ausstellen:»Ich bin ich selbst allein« heißt das selbstbestimmte Credo des Erzbösewichts. Dasselbe Credo hat der derzeitige US-Präsident, aber solche Aktualisierung muss man sich selbst denken, die Inszenierung meidet sie. Zumindest endet hier der Mörder (anders als bei Shakespeare) genauso wie sein Opfer am Anfang.||

RICHARD III.
Residenztheater| 30., 31. Jan., 25., 26. Feb.| 19 Uhr
Tickets: 089 21851940

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