… sind Ausrufezeichen im Internet. Frank-Markus Barwasser feuert in seinem neuen Kabarettsolo »Weg von hier« verbal gegen Dummheit und Verblödung.

Besser denn je: Satiriker Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig| © Palmpictures

Äußerlich ist Erwin Pelzig seit 24 Jahren unverändert: Cordhütchen, Karohemd, Handtäschchen. Aber innerlich hat sich viel angestaut – da gären Aggression, Frust und Empörung. Der biedere Franke will nur noch »Weg von hier«. Für seine Wut auf die Politik hat er gute Gründe. Und weil er mit dem postfaktischen Zeitalter fremdelt, hat er sich bestens munitioniert mit solide recherchierten Fakten, Daten und Zahlen. Mit seinem achten Solo tritt Frank-Markus Barwasser als Pelzig-Erfinder und -Darsteller in die Fußstapfen von Georg Schramm, der jahrelang im deutschen Kabarett der schärfste und
analytischste Gesellschaftskritiker war.

Barwassers pseudo-spießiger, aber intellektuell durchtriebener Kunst-Franke Pelzig beweist mit diesem furiosen Rundumschlag einen langen Atem: Zweieinhalb Stunden lang ackert er sich in rasendem Stakkato durch die heutigen Polit-Katastrophen. Da braucht auch der Zuhörer geballte Konzentration. Die lohnt sich, denn Pelzigs Wutattacken münden in präziser Analyse und klarer Schlussfolgerung. Seine Abrechnung ist wohl derzeit die komprimierteste und umfassendste Bestandsaufnahme der gesellschaftspolitischen Landschaft. Und es ist Barwasser damit bitterernst.

Die Unterhaltung kommt keineswegs zu kurz. Die Schein-Naivität, mit der Pelzig die Pointen der globalen Absurditäten aufspießt und zerpflückt, eröffnet verblüffende Blickwinkel. Von Walt Disney hat er sich einen Selbstüberprüfungstrick (ein therapeutisches Rollenwechsel-Prinzip) abgeschaut: Den Perspektivwechsel durch die Aufspaltung in drei Positionen. Auf einem Stuhl darf man als Träumer von romantischen Idealen schwärmen, auf dem zweiten äußert der Kritiker alle Einwände dagegen, auf dem dritten sucht der Realist nach dem Machbaren. Barwasser praktiziert das ja längst mit seinen Stammtisch-Kumpanen, die auch hier dabei sind: dem prolligen Biertrinker Hartmut und dem Rotwein-Bürokraten Dr. Goebel. Der findet im Internet zwar »das Böse in der Welt«, aber eben auch die reizenden »Kätzle«. Pelzig hingegen hält die sozialen Netzwerke für »eine unglückliche Kombination aus Denkfaulheit, Rechtschreibschwäche und Internetanschluss«. Wenn schon die Frage nach der Herkunft eines Taxifahrers als Mikro-Aggression und Ausgrenzung gilt, entwickelt sich eine Beleidigungskultur, vor allem in sozialen Netzwerken: »Ausrufezeichen sind die Kalaschnikow des kleinen Mannes.«

Der Romantiker bleibt auch mal in Träumen hängen. Doch der Aufklärer verzweifelt: »Gehen Sie in dieser Welt mal auf die Suche nach Vernunft. Da finden Sie eher das Bernsteinzimmer.« Der Normalkonsument verzweifelt am neuen Drucker, der ums Verrecken nicht druckt – eine bejubelte Glanznummer, jeder kennt so was. Pelzig hat auch einen praktischen Tipp für die Begegnung mit Exhibitionisten: »Sie, ich kenn’ doch Ihre Mutter. Grüßen Sie mal daheim.« Zur BigData-Abwehr empfiehlt er einen Handy-Ringtausch im Freundeskreis. Derselbe Pelzig fragt sich nach einer Regierungsverlautbarung aber auch, was denn wohl eine »angemessene Zahl von Toten in Syrien« sei. Und übersetzt am Ende den Kant’schen Imperativ allgemeinverständlich: »Man soll kein Arschloch sein.« Eine Kabarett-Großleistung – besser war Barwasser-Pelzig nie. ||

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