Konstantin Wecker wird 70. Er kann es selbst kaum fassen, feiert aber trotzdem. Natürlich!

Konstantin Wecker| © Thomas Karsten

Ruhig bleiben fällt schwer. An vielen Stellen könnte man eingreifen, mehr vielleicht noch als früher, so unstet, verworren und verwundbar präsentiert sich die Welt der Gegenwart. Man kommt mit Konstantin Wecker schnell ins Philosophieren und Politisieren, über Europa als Chance und Verantwortung, über Schuld und Verarbeitung der Vergangenheit, große Themen, die das Beschauliche eines runden Geburtstags in den Hintergrund treten lassen. »Ursprünglich wollte ich ja gar kein politischer Liedermacher sein, sondern vor allem Liebeslieder schreiben und mich um meine Poesie kümmern«, erzählt der Dichter, Sänger, Pianist und Idealist aus dem Lehel. »Aber ich bin durch den ›Willy‹ dazu gemacht worden. Der ist mir, wie viele meiner Lieder, einfach passiert. Innerhalb von zehn Minuten war er fertig. Da ist vieles herausgeflossen, was ich die Jahre zuvor erlebt hatte. Wie beim ›Willy‹ kam mir die Wut immer wieder dazwischen. Es ist nicht so, dass ich mich danach gesehnt hätte.«

Das ist die eine Seite, das Bedürfnis, sich einzumischen, auch wenn es Gegenwind geben könnte. Die andere ist die Einsicht, dass man eigentlich nur mit Engagement und Wachsamkeit zu einer Portion Glück kommen kann, die nicht geborgt ist: »Ich habe Momente erleben dürfen, die von einer erhabenen spirituellen Schönheit waren. Ich bin sehr dankbar für vieles, was mir passiert ist, für mein Elternhaus, für Freunde, die mich immer aufgefangen haben. Insofern kann ich Momente von Glück erahnen. Zufriedenheit ist nicht meins, friedvoll finde ich passender. Mit Gleichmut dem Leben begegnen, das hätte schon was. Und ich glaube, das gelingt mir auch immer besser.«

Engagieren!

Darum geht es auch in seinen Liedern, seit Konstantin Wecker sich in den Siebzigern zu Wort gemeldet hat und mit einer Mischung aus Frechheit, Emphase und aufmerksamer Lebenslust die Szene der zwar integren, aber auch ein wenig biederen Liedermacher aufmischte. Die Etappen der Biografie sind bekannt, »Genug ist nicht genug« und »Willy«, Kabarett und große Bühnen, Musiken zu »Schtonk!« und dem Musical »Ludwig«, Krisen, Trennungen, verhangene Gedanken, aber immer wieder der Stehaufmann, der mit Sprache und Musik den Alltag, am liebsten auch den Kleingeist vieler Hirne hinter sich lässt.

Und für den Einmischung grundlegend ist: »Ich betreibe beispielsweise schon lange das Onlinemagazin ›Hinter den Schlagzeilen‹, ein Versuch, Politik und Spiritualität zu verknüpfen. Am Anfang gab das einen großen Aufschrei bei reinen Marxisten, die bei dem Wort Spiritualität gleich Brechreiz bekommen haben, ebenso bei den Spiris, denen übel bei dem Gedanken wurde, dass man sich engagieren solle. Aber ich durfte so wunderbaren Menschen begegnen, die das verkörpert haben: Bernard Glassman, der jüdische Zen-Meister aus New York, der dort mit Obdachlosen arbeitet, Hans-Peter Dürr, der Physiker, Mystiker und große Wissenschaftler, oder auch Arno Gruen. Alles Menschen, die sich engagieren oder engagiert haben. Und das wird auch immer notwendiger.«

›Ist das Alter jetzt schon da oder kommt es noch?‹

Im Großen wie im Kleinen, in der Ferne und daheim. Konstantin Weckers Weg, den Lauf der Dinge zu beeinflussen, ist das vertonte Gedicht. Er sieht sich als Poeten, und hätte ihm Reinhard Mey nicht den Orpheus schon vorweggetextet, wäre ihm ein vergleichbares Lied als Huldigung des gesungenen Worts bestimmt ebenfalls passiert. Denn es gehört zu seinen besonderen Gaben, lyrische Landschaften und Räume zu erfinden, worin sich seine Protagonisten und Botschaften entfalten können. »Poesie und Widerstand« nennt er ein Doppelalbum, das er sich nun zum Geburtstag leistet, ein Programm mit 31 Stücken aus allen Schaffensphasen in überarbeiteten Fassungen. Neue Lieder wie »Den Parolen keine Chance« sind ebenso dabei wie der Euphorie-Klassiker »Wenn der Sommer nicht mehr weit ist« oder die hinreißenden Hymne »Caruso«. Für einige Stücke stießen Gäste zum Team, wie der Sänger Dominik Plangger (»Er war diesmal mein Lucio Dalla«) oder dessen Kollegin Gaby Moreno (»Und sie war meine Mercedes Sosa«). Besondere Wucht legte er in eine der Versionen des Lieds gegen rechts »Sag nein!«, für das Kollegen von Cetin Oraner und Asp Spreng bis Pippo Pollina und Conchita Wurst Passagen beisteuerten.

Einige von ihnen werden auch beim Konzertmarathon vom 31. Mai bis 2. Juni im Circus Krone (Zusatztermin 21. Juli) dabei sein, wenn Wecker seinen Geburtstag öffentlich feiert. Vieles wird man auch im Bayerischen Rundfunk hören können, der auf Bayern 2 vom 26. Mai an mehrere Sendungen zu Weckers Leben und außerdem einen Mittschnitt der Konzerte sendet (4./5. Juni). Das Bayerische Fernsehen hält vom 28. Mai an mit »Lebenslinien« und ebenfalls Live-Aufnahmen (etwa zusammen mit Hannes Wader) mit, ARD-Alpha wiederholt ein ausführliches Interview des Alpha-Forums. Wecker selbst wird davon nicht viel hören können, denn er ist den Sommer über auf Tournee, bevor er wieder in der alten Heimat andockt: »Ich lebe gerne in Schwabing, mein Verhältnis zu München ist ungebrochen gut. Ich finde es eine tolle Stadt. In Italien bin ich auch gerne, aber das hebe ich mir fürs Alter auf. Das erinnert mich an Dieter Hildebrandt, der auf der Bühne stand und meinte: ›Ich weiß es nicht. Ist das Alter jetzt schon da oder kommt es noch?‹ In diesem Dauerzustand bewege ich mich eigentlich auch.« ||

KONSTANTIN WECKER
Circus Krone | 31. Mai bis 2. Juni, 21. Juli
20.30 Uhr | Tickets: 089 54818181

Tickets:

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