Bei der 13. Ausgabe des Festivals »Radikal jung« dominieren Arbeiten von Regisseurinnen.

»Nathan die Weise« mit Johannes Richter als Magier ist zu »Radikal jung« eingeladen | © Krafft Angerer

Bei der Pressekonferenz zum 13. Festival »Radikal jung« lobt Kulturreferent Hans-Georg Küppers den neuen Untertitel »Das Festival für junge Regie«. Endlich hat das Volkstheater das von der Stadtverwaltung so geliebte Gender Mainstreaming berücksichtigt und nicht mehr »Festival der jungen Regisseure« aufs Plakat geschrieben. Ob da jetzt Regieführende steht, Regisseur*innen oder sonst was, ist aber nicht der Punkt. Auf den Inhalt kommt es an und nicht aufs Etikett.

Und der Inhalt ist in diesem Jahr davon geprägt, wie Frauen die Welt sehen und erleben. Vor allem Arbeiten junger Regisseurinnen haben es dem Auswahlteam – Schauspielerin Annette Paulmann, Dramaturg Kilian Engels und Theaterkritiker C. Bernd Sucher – angetan. Sechs Frauen und drei Männer zeigen an zehn Festivaltagen ihre Inszenierungen. Als hauseigene Produktion ist Nicolas Charaux’ »Das Schloss« dabei. Pınar Karabulut, Nora Abdel-Maksoud und Florian Fischer waren früher schon bei »Radikal jung« zu Gast und haben am Volkstheater inszeniert.Karabulut bringt vom Staatsschauspiel Dresden Maya Arad Yasurs »Gott wartet an der Haltestelle« mit. Die israelische Autorin findet darin die Hintergründe der Radikalisierung der palästinensischen Krankenschwester Amal nicht nur in der zermürbenden israelischen Besatzungspolitik, sondern auch in patriarchalischen Machtstrukturen.

Geschlecht und Gewalt

An den Anfang setzt Karabulut einen großen Knall. Die Zuschauer sitzen im Café, in dem eine Bombe explodiert. Abdel-Maksoud beleuchtet mit »The Making-of« vom Berliner Maxim Gorki Theater die Situation im deutschen Film, und zwar live und in 3-D. Dabei geraten die Rollenbilder gehörig durcheinander. Kilian Engels verspricht einen sehr unterhaltsamen Abend mit feministischen Pornodarstellerinnen! Ebenfalls am Maxim Gorki entstand Suna Gürtlers »Stören«. Ein älterer Mann nimmt eine Frau im Auto mit und schlägt einen Spaziergang im Wald vor. Wir alle meinen das Ende der Geschichte zu kennen.

Fünf Frauen und eine Transgender-Person, alles keine ausgebildeten Schauspieler*innen, erzählen von alltäglichen Belästigungen und der Angst davor, hinterfragen aber auch die Mechanismen von Geschlechterklischees. Trotz des Themas anscheinend ein sehr optimistischer Abend. Die einzige freie Produktion ist Samira Elagoz’ dokumentarische Performance »Cock, Cock .. who’s there?«, in der sie ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt thematisiert. Extrem persönlich und laut Engels ergreifend ist ihr Versuch, die Kontrolle über ihre sexuelle Selbstbestimmung wiederzuerlangen. Dafür datet sie zahlreiche Männer auf der ganzen Welt und dokumentiert diese Begegnungen.

Nathan – weise und gerecht?

Ein Mensch stirbt und keiner interessiert sich dafür. Wie kann das passieren? Florian Fischer macht sich in »Kroniek oder wie man einen Toten im Apartment nebenan für 28 Monate vergisst« vom NT Gent bilderstürmerisch auf die Suche nach Gemeinschaft in einer entfremdeten Gesellschaft. Leonie Böhm hat in der Hamburger Thalia-Garage eine klitzekleine Produktion zu Lessings ach so tolerantem »Nathan« gemacht. Ihr fiel auf, dass ausschließlich Männer über Rechas Schicksal bestimmen. In »Nathan die Weise« blättert die Regisseurin den Klassiker mit improvisierten Raps mal aus der Perspektive des Mädchens auf.

Jan Philipp Stanges Koproduktion von Studio Naxos und der Hessischen Theaterakademie heißt nach dem Tag, an dem sie aufgeführt wird. Hier ist es »Der 2. Mai 2017«, und der beginnt mit der »Tagesschau«. Das Quasi-live-Theater spiegelt sich mithilfe des Internets selbst und erzeugt eine Art fiktive Realität. Was wir noch nie über das Angeln wissen wollten und deshalb auch nie zu fragen wagten, bringt Johanna Louise Witt vom Thalia uns in ihrer Petitesse »Wenn die Rolle singt oder der vollkommene Angler« bei. Danach wollen wir sofort Mitglied im Verein Petri Heilbutt werden, weil es gar so zauberhaft (Engels) ist. Davor feiern wir aber erst einmal bei der Radikal-jung-Eröffnungsparty und dem Tanz in den Mai. Denn »Radikal jung« ist immer auch ein großes Fest. ||

Radikal jung – das Festival für junge Regie
Volkstheater | 28. April bis 7. Mai | genaue Termine und Tickets | 089 5234655

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