Zwei Meister des jungen Jazz haben sich gefunden. Michael Wollny und Vincent Peirani fusionieren
Klavier und Akkordeon.

Michael Wollny, Vincent Peirani | © ACT Jörg Steinmetz

Wenn Jazzpianisten solo auf die Bühne kommen, kann man nur hoffen, dass sie nicht demonstrieren wollen, was sie alles können. Treten sie als Duo an, steht zu befürchten, dass das Musikalische leidet unter einer Flut von Tönen. Und zwei zu akkordischem Spiel fähige »Harmonie-Instrumente«, von zwanzig Fingern bedient, das muss kein Mehr an Harmonie bedeuten. Häufig steht man sich eher im Weg. Chick Corea plus Herbie Hancock? Interessant, aber gelegentlich des Guten zu viel. Zu dicht, zu komplex – als würden zwei Orchester zusammen auftreten.

Auf ähnliche Risiken läuft die Kombination von Piano und Akkordeon hinaus, auch dann, wenn letzteres keine Tasten hat, sondern ausschließlich Knöpfe. Deutschlands nach wie vor spannendster Jazzpianist Michael Wollny und der Franzose Vincent Peirani wissen natürlich um die Tücken ihres Projekts. »Wir haben zwei Instrumente, die sich eigentlich sehr ähnlich sind, klanglich aber ganz unterschiedlich. Es
gibt für diese Kombination wenige Vorbilder«, räsoniert ersterer. Und das hat Gründe, die mehr mit der Ähnlichkeit zu tun haben als mit den Unterschieden: »Piano und Akkordeon haben oft die gleiche Rolle in einer Band. Beide gleichzeitig zu spielen, kann ein bisschen Angst machen«, fügt Peirani hinzu.

Ein Duo für die Freiheit

Solche Angst spielt allerdings bei ihrem Duo kaum eine Rolle, weil man sich von Anfang an besonders gut verstanden hat. Als beide 2012 im Rahmen des 20-jährigen Jubiläums des Labels ACT im Pariser Club »New Morning« erstmals gemeinsam auf die Bühne kamen, ging es um eine spontane Session, bei der ihnen schlagartig klar wurde, dass zwischen ihnen offenbar eine besondere Chemie herrscht. »New Morning« heißt auch das Stück, das sie – man kann es auf Youtube bewundern – 2015 in Hamburg vorstellten, bei der Verleihung des Echo Jazz. Ein wunderbarwildes Beispiel dafür, dass ihr Duo für sie vor allem die ganz große Freiheit bedeutet.

Im Spätherbst 2016 erschien ihr Album »Tandem«, auf den ersten Blick überraschend ruhig geraten. Aber dies entspricht einer konsequenten Entwicklung vor allem bei Michael Wollny. Denn er sieht sich nicht mehr als der junge Wilde früher Phasen wie etwa mit seinem Trio [em]. Einem Journalisten gegenüber hat er ein bemerkenswert unverkrampftes Verhältnis zu Eingängigkeit und reinen Dur-Akkorden bekundet: »Manchmal vermeidet man Schlichtes und Schönes, weil dies nicht ernst genommen wird.« Vor Kitsch habe er keine Angst, die Entdeckung der Langsamkeit erlaube ihm, konsequenter in einzelne Töne und Akkorde hineinzuhören.

Ein wenig Aufruhr kann nicht schaden

Was nicht bedeutet, dass sich auf »Tandem« nur für Konzerträume wie das Prinzregententheater Geeignetes findet, etwa das elegische Intro oder eine Bearbeitung von Samuel Barbers »Adagio For Strings«, das die beiden übrigens zunächst einmal rückwärts spielen. Aber so richtig heftig geht es eigentlich nur in den letzten sechs Tango-Minuten des Albums zu. Nun ist es ja üblich, dass bei der
Umsetzung im Konzert selbst betont ruhige Alben Grundlage größerer Stimmungsvielfalt und Unterschiede in der Dynamik werden.

Als Michael Wollny im November seine »Nachtfahrten« ebenfalls am Prinzregentenplatz auf die Bühne brachte, geriet die Reise allerdings auffallend gepflegt. Passt dort gut hin, aber ein wenig Aufruhr kann nicht schaden – und könnte kommen, schließlich kann auch Vincent Peirani die Melancholie pathosreich hinter sich lassen. ||

MICHAEL WOLLNY & VINCENT PEIRANI
Prinzregententheater| 27. Jan.| 20 Uhr
Tickets: 089 54818181 |Karten

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