In »Egon Schiele – Tod und Mädchen« betrachtet Dieter Berner vor allem einen Aspekt im Leben des Künstlers: die Frauen.

Noah Saavreda als Egon Schiele | © Alamode Film

Noah Saavreda als Egon Schiele | © Alamode Film

Betrachtet man Egon Schieles Gemälde, kommt das Interesse an seiner Person ganz von selbst. Verkrampft umschlungene Männer und Frauen, expressive Augen, die dem Zuschauer direkt ins Angesicht starren, schonungslose Selbstporträts des nackten, ausgemergelten Körpers. Die Bilder des Wiener Malers haben etwas Verstörendes, gleichzeitig steckt in ihnen aber auch eine tiefe, schwer zu fassende Schönheit. Sie sind ehrlich, die abgebildeten Körper widersprechen bürgerlichen Schönheitsidealen – ein Skandal im gerade angebrochenen 20. Jahrhundert.

Der Regisseur Dieter Berner hat sich nun mit »Egon Schiele – Tod und Mädchen« der Aufgabe gestellt, den schwierigen Künstler zu porträtieren. Dabei orientierte sich Berner vor allem an Hilde Bergers Roman »Tod und Mädchen: Egon Schiele und die Frauen«. Es dürfte also klar sein, welcher Aspekt hier am meisten Platz einnimmt. Der Film arbeitet Schieles Beziehungen zu fünf verschiedenen Frauen ab. Einen Rahmen bildet dabei die zu seiner Schwester Gertie (Maresi Riegner), die dem jungen Schiele (Noah Saavedra) als Aktmodell dient und am Ende seines kurzen Lebens auch als Pflegerin.

Von allen Frauengeschichten ist sie fast schon die intensivste, beim Toben im Atelier schwebt über ihr sogar ein dezenter inzestuöser Hauch. Das geht allerdings schnell wieder unter, denn Schiele und seine Künstlerfreunde entdecken auf dem Wiener Prater die exotische Moa (Larissa Aimee Breidbach), die zu seiner Muse wird. Und hier erkennt man bereits die Bahnen, in denen »Tod und Mädchen« verlaufen wird. Die Liebes- und Eifersuchtsgeschichten schieben sich in den Vordergrund. So geht es auch weiter, als das Klimt-Modell Wally (Valerie Pachner) und die Geschwister Edith (Marie Jung) und Adele (Elisabeth Umlauft) in sein Leben kommen, von denen Erstere seine Ehefrau wird.

Man hat durchwegs das Gefühl, dass Berner tiefer gehen könnte. Schieles Kunst mit ihrer Verbindung von Leben und Tod, Sex und Wahnsinn könnte dafür nicht einladender sein. Vor allem angesichts ihrer Zeit: Die österreichische Monarchie beginnt zu bröckeln, neue Impulse entstehen in allen Bereichen der Kunst, Sigmund Freud stellt mit seiner Psychoanalyse das Bild des Menschen auf den Kopf. Diese Zeitenwende findet im Film höchstens irgendwo am Rande statt.

Ähnlich verhält es sich mit einigen wichtigen Lebensstationen Schieles. Der Vater, der im Wahnsinn das Vermögen der Familie verbrannte, blitzt nur zweimal kurz auf. Die Einberufung in den Ersten Weltkrieg fällt auch nicht groß ins Gewicht. Am ärgerlichsten ist aber, dass Egon Schieles Gefängnisaufenthalt 1912 nur sehr oberflächlich behandelt wird. Damals wurde er wegen des Verdachts auf Kinderschändung vor Gericht gestellt. In dieser Sache wurde er freigesprochen, wegen »Verbreitung unsittlicher Zeichnungen« allerdings verurteilt. Insgesamt verbrachte er 24 Tage in Haft. An sich eine kurze Zeit, aber für ihn eine Hölle. »Den Künstler hemmen ist ein Verbrechen, es heißt keimendes Leben morden!«, klagte er. Die Drastik dieser Situation fällt leider unter den Tisch.

So ist »Egon Schiele – Tod und Mädchen« ein Film, der die bedeutenden Motive leider nur anschneidet und sich recht einseitig auf das Liebesleben des Künstlers stützt. Ein Lichtblick ist der Hauptdarsteller Noah Saavedra. Seinen Schiele setzt er intensiv und mit voller Wucht in Szene, sodass man erahnt, was in diesem Menschen schlummern muss. Ansonsten hinterlässt der Blick in den Bildband den bleibenderen Eindruck, als der auf die Leinwand. ||

EGON SCHIELE – TOD UND MÄDCHEN
Deutschland 2016 | Regie: Dieter Berner
Mit: Noah Saavedra, Maresi Riegner,
Valerie Pachner | 109 Minuten
Kinostart: 17. November

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